Der Garten als Inspiration von Malern und Musikern

Ein Besucher geht durch die Ausstellung "Van Gogh Alive" am 19.05.2015 in Berlin. (Bild: Jörg Carstensen/dpa) — Bild: dpa

Mo 25.05.2015 | 06:04 | Kultur

- Der Garten als Inspiration von Malern und Musikern

Für Künstler ist der Garten eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration: Wir beschäftigen uns mit Blumen in der Malerei und der Musik - der klassischen und der Popmusik.

Van Gogh malte seine berühmten, flammend gelben Sonnenblumen. Auf altmeisterlichen Gemälden haben Lilien, Rosen und Margeriten symbolische Wirkung. Barbara Wiegand hat sich auf einen Rundgang durch die Berliner Gemäldegalerie begeben.

Auch in der klassischen Musik sind Blumen als Motive beliebt, oder besser gesagt: waren es – das hat Judith Kochendörfer festgestellt.

Und wie schaut es beim Pop aus? Immerhin gab es ja mal eine Zeit, die nannte sich Flower Power. Laf Überland hat sein Archiv durchstöbert.

Gang durch die Gemäldegalerie

"Die Malerei überwindet die Schwäche der Natur"
Ein wunderschönes Rundbild von Botticelli, auf dem die Engel Lilien in Händen halten, das Marienbild von Peter Paul Rubens auf dem eine Kletterrose die Mutter Gottes umrankt, das von Filippo Lippi auf ein Bett von Malven und Margeriten gebettete Jesuskind: Es sind viele Gemälde, auf denen man in der Gemäldegalerie fündig wird auf der Suche nach Blumen. Ja, nicht selten spielen sie die strahlende Hauptrolle und bedecken ganze Leinwände - etwa der bunte Strauß, den Jan Brueghel der Ältere im 17. Jahrhundert als Stilleben ins Bild gesetzt hat.

Bernd Lindemann: "Das Besondere dieser Blumen ist, dass sie nicht alle zur selben Jahreszeit blühen. In vielen dieser Blumenbilder wird uns eine Vase gezeigt, die es so in der Natur nicht geben kann. Der Maler überwindet gewissermaßen die Schwäche der Natur. Die Natur zwingt die Blume dazu abzusterben und im nächsten Jahr wiederzukommen, der Maler verewigt die Blume und dadurch kann er einen Blütenzauber herstellen, den die Natur uns nicht bietet. Und das ist ein wichtiger Gedanke, weil in der damaligen Zeit es überhaupt ein sehr wichtiger Gedanke ist, die Natur zu veredeln."

Blumen für die Brautschau
So wurden Blumen gern für die Ewigkeit gemalt - zieren Menschen wie Götter und säumen den Weg der am Jüngsten Tage Auferstandenen Seelen ins Paradies. Die Mutter Maria ist mit Lilien zum Zeichen ihrer Unschuld zu sehen. Manchmal ist der Grund, Blumen ins Bild zu setzen aber auch viel profaner. Etwa auf dem Portrait des Kaufmannes Georg Giese von Hans Holbein dem Jüngeren.

Bernd Lindemann: "Er ist jung aber reich, das sieht man an den Gegenständen im Bild. Ein kostbarer Teppich auf dem Tisch, darauf eine Uhr die kostete damals ein Vermögen. Aber ganz unübersehbar an den Bildrand gerückt eine Glasvase. Darin Nelken. Ein Mann mit Blumen ist eigentlich etwas ungewöhnliches. Deswegen kann man vermuten, wenn wir Männerporträts haben auf denen Blumen auftauchen, dass sie im Begriff sind, sich zu vermählen. Das ist häufig ein Zeichen dafür, dass sie in den Stand der Ehe treten möchten."

So dient hier Blume als Marketing-Instrument die Brautschau des jungen Kaufmannes. Das sie auch Handelsobjekt war lassen niederländische Bilder ahnen, auf denen Tulpen zu sehen sind.

Bernd Lindemann: "Das ist interessant, weil die Tulpe damals eine ganz neue Blume ist. Sie spielt dann in den Niederlanden eine ganz riesige Rolle. Die Holländer fangen an, auf Tulpenzwiebeln zu spekulieren und ruinieren sich dabei finanziell. Sie waren nämlich besonders daran interessiert, geflammte Tulpen zu haben. Und dachten, dass man das ausmendeln könne. Aber es ging schief - diese flammen in den Tulpenblüten kommen durch einen Pilz und so haben sich viele in den Bankrott spekuliert."

Blumen als Symbole für Ewigkeit und Reinheit
Deutlich erkennt man auch in der Gemäldegalerie dieses Spekulationsobjekt "Geflammte Tulpe". Und überhaupt kommen Botaniker unter den Gemäldegalerie-Besuchern hier voll auf ihre Kosten, sind doch die Blumen immer akribisch genau nach der Natur gemalt. Ja, selbst Meister wie Peter Paul Rubens scheuten sich nicht, für die Blumenzierde in ihren Gemälden Experten wie Jan Breughel zu engagieren.

Bernd Lindemann: "Die Wiedergabe von kleinen Pflanzen ist oft präziser als die von Bäumen, die sind oft schematischer gemalt. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass die Wiedergabe von Blumen ganz genau sein musste - etwa in Rezeptbüchern, sodass sich da eine gewisse Gewohnheit eingestellt hatte. Denn das ist ja heute noch so: Wenn wir Pilze sammeln, dann brauchen wir ein Buch in dem die Pilze sehr gut abgebildet sind, damit da kein Unglück geschieht. Und so ähnlich ist das mit der Pharmazie früher auch gewesen."

Oft dienten die so genau gemalten Blumen den Alten Meistern als Symbole, für die Reinheit, die Ewigkeit. Wobei manche Blüte durchaus doppeldeutig sein kann - und manchmal dem Kunstwerk nur zur Zierde gereicht, meint Lindemann. Und warnt davor, allem, was da blüht, zu große Bedeutung beizumessen, sondern lieber die bloße Schönheit zu sehe

Bernd Lindemann: "Ich antworte mit Freud, der ja sehr viel über Symbolik nachgedacht hat - auch über die Symbolik länglicher Formen. Und er wurde mal drauf angesprochen und dann antwortete er: Nein nein - manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre."
Blumen in der klassischen Musik

Ein Blick in einen Schumann-Liederband:
Die Lotusblume
Du bist wie eine Blume
Myrten und Rosen
Und wüssten's die Blumen
Einsame Blumen
Bedeckt mich mit Blumen
Schön Blümelein

Weiter zu Schubert:
Trockene Blumen
Laue Lüfte
Blumendüfte
Heidenröslein

Brahms:
Es schauen die Blumen
Ich sah als Knabe Blumen blühn
Rosen bracht ich nachts

Gerade das 19. und frühe 20. Jahrhundert ist voll solcher Titel. Sopranistin Sonja Walter gestaltet ganze Programme mit Blumenliedern:

"Gerade in der Klassik und der Romantik gibt’s unzählige Bilder über Blumen und auch Lieder und Gedichte über Blumen, dass man gar nicht weiß, was man auswählen soll. Und die Blumen haben auch Symbolbedeutung in der Zeit gehabt. Das heißt, über Dinge wie Liebe und Sexualität wurde in der Zeit ja nicht so offen geredet wie heute. Die Blume versinnbildlicht beispielsweise ein Mädchen in "Heidenröslein" von Schubert - dort ist das Röslein, das gepflückt wird, ein gefallenes Mädchen."

In der Neuen Musik fehlt die Blume
Und wie liest sich ein Konzertprogramm mit Neuer Musik?: "Splitter", "Ungemaltes Bild", "Augenblick", "Lautspur", "Parole 3", "x und y", "Shortcuts". "Fractured Eden" habe ich noch entdeckt - ein zerlegter Garten Eden.

Rainer Rubbert: "Wahrscheinlich weil die Romantik einfach vorbei ist und durch ist. Und eigentlich die Menschen heute eher bestimmt Sehnsucht nach Natur haben, aber durchaus unter Einbeziehung von Stadt und Stahl und dem Leben, was uns prägt."

Ich frage Rainer Rubbert, Komponist und Veranstalter der "Unerhörten Musik" im BKA-Theater - der einzigen wöchentlichen Konzertreihe für Neue Musik. Und er holt sich sofort den Komponisten Sebastian Elikowski-Winkler als Zeugen hinzu.

Sebastian Elikowski-Winkler: "Na, wir würden 'Ein Veilchen, das auf der Wiese stand', heute nicht mehr vertonen! Wenn wir jetzt über historische Garten- oder Blumentexte nachdenken, dann sträuben sich uns automatisch ein bisschen die Nackenhaare."

Rainer Rubbert: "Selbst wenn mich eine Blume inspiriert hätte zu einem Stück, würde ich das nicht zugeben, ich würde das nicht sagen! Weil es so peinlich ist."

Heute ist eine gewisse Coolness gefragt
Blumen stehen für etwas. Für Lieblichkeit, für Reinheit, für Sehnsucht, Romantik, überschwängliche, verschwenderische Schönheit. Musikalisch passen dazu elegische Melodien, malerische Klangfarben, gefühlsbetonte Harmonien. Die aber sind out in der Neuen Musik.

Das gilt auch für die elektronische Tanzmusik: Hier geht’s um treibenden Rhythmus, tranceartige Beats oder die Suche nach interessanten Klängen, Geräuschen. Jazz schließt sich an: hier zählt das Experiment. Filmmusik und Mainstream-Pop dürfen noch romantisch sein; für die Kunst, die sich selbst als vorwärtsdenkend empfindet, ist das definitiv zu retro.

Sebastian Elikowski-Winkler: "Sehr populär sind ja seit einigen Jahren Projekte, die Wissenschaft und Künste verbinden in allen Sparten. Dass man auf molekularer oder Zellebene herangehen könnte, dass man da eventuell irgendwelche Strukturen auszieht, aus denen man dann ein Stück machen könnte.“

Rainer Rubbert: "Aber es wäre auf keinen Fall eine poetische Herangehensweise.“

Sonja Walter: "Es ist halt heute so eine gewisse Coolness gefragt, über den Dingen zu stehen."

Bloß kein Kitsch. Bloß nicht zuviel Romantik. Blumen, das klingt nach Schlager, nach "Ganz in weiß mit einem Blumenstrauß" oder "Wenn der weiße Flieder wieder blüht“. Populär und gefährlich nahe an der Billigkeit. Und diese Bilder: "Blumen" gleich: "Romantik, Sehnsucht" - die sind bis heute einfach besetzt.

Sebastian Elikowski-Winkler: "Mich interessiert die menschliche Psyche in ihrer Komplexität und ich sehe nicht eine Notwendigkeit, mich mit Dingen zu beschäftigen, von denen ich das Gefühl hab, dass sie schon abgearbeitet sind."

Rainer Rubbert: "Wir lassen die Blumen einfach im Garten und freuen uns dran, wenn sie da sind, aber es gibt kein unmittelbares Bedürfnis, sie jetzt künstlerisch zu verwerten. Bei den bildenden Künstlern - ein Tulpenstrauß wäre peinlich."
Blumen in der Popmusik

Es ging nicht um die Sehnsucht nach Gartenarbeit

Nein - Soundgarden sangen nicht etwa von Gärten! Sowieso muss man wahrscheinlich eine ziemlich niedlich romantische Seele sein, um den Garten zu besingen. Realistische Menschen scheint er, als Hort von Schweiß und Schwielen, Kreuzschmerzen und Kartoffelfäule, nicht so sehr zum Überschwang des Singens zu verführen. Im überlieferten Kulturgut findet sich jedenfalls kaum mehr als ein Küchenlied über das Elend einer alleinerziehenden Mutter: Sie saß so still und träumend so einsam und so bleich, dunkle Wolken zogen vorüber, und Wellen schlug der Teich. Und daß sie weint, liegt nicht am Garten, sondern am Matrosen, der sich vom Acker gemacht hat.

Auch bei den Kirschen in Nachbars Garten geht es nicht eigentlich um den Garten, sondern ums illegale Bauchvollschlagen beim Nachbarn. Nein, dass der Garten thematisiert wird in all seiner Schönheit, das ist eigentlich eher selten. Sogar in jenen sanftmütigen Jahren, in denen die Popmusik sich durchaus um Florales drehte, aus dem man ohne Ende Kraft schöpfen konnte - Flower Power! - wurden kaum mal Gärten vertont: Es ging ja mehr um die Natur! Um die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land, nicht um die Sehnsucht nach der Gartenarbeit.

Und nur extrem nette und häusliche Menschen - wie die jungen Ofarims - sangen über die Garten ihrer Häuser, wie beispielsweise in ihrem Sond "Garden Of My Home".

Gärten war immer zu popelig

Auch Georges Moustaki besang ganz wunderschön die Vergänglichkeit des Paradieses - es gab mal einen Garten ...

Aber meist wurde lieber von Garten-Parties gesungen, und auch schon mal vom Garten des Glaubens und vom Garten der Träume, Garten im Regen und sogar: Garten der Schwermut! Aber das waren alles Metaphern, keine Lieder über Blumenbeete. Sogar Lynn Andersons Hit "Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen" war 1970 auch nur die Aufmunterung an den jammernden Beziehungspartner: Stell dich nicht so an!

Fast schon geläufiger als der Garten sind der volkstümlichen Popseele die Produkte aus dem Garten: "Tulpen aus Amsterdam", "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" ...

Enya sang von der Chinarose und "Sting" von der Wüstenrose, "Luka Bloom" von der Zeit der Johannisbeeren und Prefab Sprout vom Kuchen aus Blaubeeren, Dr. John nöhlte vom Olivenbaum und Paul Weller von der Sonnenblume - aber vom Garten selbst? Der Garten des Lebens war mal ein Diskothekenhit - In-A-Gadda-da-vida -, aber im Großen und Ganzen sind die meisten Popmenschen einfach zu cool!

Jaja - irgendwie ziemlich gleichgültig dem Grün gegenüber, finden Sie nicht? Und da konnte auch Lenny Kravitz seine Angebetete noch so herzlich anbrüllen: Ich habe den Garten für uns angelegt!

Gärten waren immer irgendwie zu popelig. Aber vielleicht kriegt die gartenfeindliche Popmusik noch einen Umschwung: Zumindest machten neulich ein paar Jahre lang die "Green Beings" aus Philadelphia vor, wie putzig und ansteckend doch vegane Popsongs klingen können: Als öko-veggie-bewusste Popband bezeichneten die sich, und sie sangen vom Käseshop des Grauens, vom Fleischbeerkuchen, von der Farm der wahnsinnigen Rinder und von Wasser, Proteinen, Tempolimit und Milch? Iiiieh, nein: keine Milch! keine Milch!

Pfingstmontag spezial

Blühende Tulpen auf der Bundesgartenschau 2015 (Bild: Jens Wolf/dpa)

dpa-Zentralbild

Von der Kunst des Gärtnerns und dem Garten in der Kunst

Den ganzen Frühling und Sommer lang macht die Bundesgartenschau die Havelregion zum Sehnsuchtsort für Gartenliebhaber. Zu Pfingsten geht auch Inforadio der Lust auf grüne Oasen nach. Wir erzählen Geschichten über urbane Gartenkultur, wir zeichnen nach, wie die Gartensehnsucht Musik, Malerei, Literatur und Kunst prägt, und wir verraten, wo Sie besonders schöne Gärten auch außerhalb der BUGA finden können.

Wetter

Wetter