Autor Lukas Rietzschel bei der Frankfurter Buchmesse (Bild: imago images / Sven Simon)
Bild: imago images / Sven Simon

- Lukas Rietzschel: "Der Osten muss nicht sein wie der Westen"

Der Nachwuchsautor Lukas Rietzschel aus der ostsächsischen Lausitz hat die DDR selbst nicht erlebt. Dennoch gilt der 1994 Geborene in der deutschen Öffentlichkeit als Ost-Versteher und Osterklärer der Nachwendegeneration. Unter anderem deshalb, weil er einen Roman über zwei sächsische Jugendliche, die Teil des rechtsextremen Milieus in Sachsen werden, geschrieben hat. Im Inforadio zieht er 30 Jahre nach dem Mauerfall Bilanz.

Der Dialog ist für den Autor wichtig, denn er sagt: "Ich merke bei Lesungen vor allem im Westen, da ist noch so viel Unwissen, so vieles, was nicht verstanden wurde." Er sieht es als Vorteil der Nachwuchsgeneration, diesen Dialog zu suchen. Denn da die jungen Menschen die DDR selbst nie erlebt haben, könnten sie distanizierten darüber sprechen und man können ihnen nicht vorwerfen, dass sie befangen wären oder eine offene Rechnung hätten.

Missverständnisse über Ostdeutsche

Er selbst habe von einem baden-württembergischen Politiker vorgehalten bekommen, dass der Solidaritätszuschlag allein vom Westen gezahlt würde. Außerdem gebe es westdeutsche Narrative über die Menschen im Osten: So seien dabei alle Stasi-Täter oder Opfer, alle hätten eine kaputte Biografie und weil sie nach der Wende schlecht behandelt worden sind, seien nun alle Nazis.

Diesen Missverständnissen will der Autor entgegentreten: "Das hat sich der Westen so zurecht gelegt und da muss man dagegen halten." Viel wichtiger sei für die Biografie, wie die Familie zur eigenen Geschichte und zur Vergangenheit stehe, sagt Rietzschel.

Zwei Seiten der Ostidentifikation

Lukas Rietzschel sagt, die Anerkennung dessen, was die Menschen aus Ostdeutschland für die Demokratie in Deutschland mit der friedlichen Revolution sei zu kurz gekommen. Auf der anderen Seite benutze die AfD genau diese Leistung und behaupte, dass Ostdeutsche per se dafür sensibilisiert seien, Unrecht zu erkennen und auf die Straße zu gehen. der Autor sagt: "Da wird jeder Ostdeutsche zum Bürgerrechtler erklärt, was ja auch falsch ist." In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns gerade.

Rietzschel wünscht sich für die Zukunft, dass man sagen könne "Wir sind ein Deutschland." Das heißt aber für ihn nicht, dass der Osten sein müsse wie der Westen. Denn niemand würde verlangen, dass Bayern so sein müsste wie Schleswig-Holstein.

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dpa

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