SYMBOLBILD: Probenfoto "Carmen Kittel" am Deutschen Theater Berlin mit Olivia Graeser (als Carmen) und Matthias Mosbach (als Harald)- zur Illustration des Beitrags: #meToo-Debatte - was denken junge SchauspielerInnen darüber?
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- #metoo-Debatte: Was denken junge Schauspielschüler?

Am Donnerstag wird die diesjährige Berlinale feierlich eröffnet. Am Rande der Roten Teppiche, der Partys, Empfänge und Filmpremieren dürfte auch die #metoo-Debatte ein Thema sein. Sexuelle Belästigung bis hin zu Gewalt im Filmgeschäft – wie hat die Diskussion darüber die Filmbranche geändert? Und was macht das mit denen, die noch gar nicht oder noch nicht so lange im Business sind? Nadine Kreuzahler hat sich an Berliner Schauspielschulen umgehört.

An der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Schauspielschülerin Alida probt gemeinsam mit einem Kommilitonen eine Szene aus dem "Kaukasischen Kreidekreis" von Brecht. Von einem Tisch aus sieht Regiestudentin Sarah zu, macht Notizen und Vorschläge. Beide sind im ersten Semester.

Die Enthüllungen rund um Weinstein und Wedel sind auch an der Hochschule Thema.

Alida: „Also, es schockiert mich krass, dass das auch hier in so einem Ausmaß passiert ist, ja, das ist traurig, aber ja auch sehr, sehr hilfreich, dass so was jetzt endlich mal rauskommt. Tatsächlich diskutier ich da am meisten in der Mädchenumkleide drüber, also mit meinen weiblichen Kommilitoninnen, wenig mit allen find ich.“ Sarah: „Bei uns ist es ganz interessant, weil wir haben halt hauptsächlich männliche Dozenten, Regiedozenten, und die sind aber alle total offen und total fortschrittlich da und wir diskutieren das ständig in der Klasse“.

Selbstbewusstes Auftreten hilft

Dabei geht es Sarah vor allem um verkrustete Rollenbilder und Machtstrukturen. Sexuelle Belästigung hat sie bisher weder an der Uni, noch bei ihren Praktika am Theater, an der Oper und beim Film erlebt. Vielleicht lag es daran, dass sie immer "von vornherein klar und selbstbewusst" auftrat: „Ich sag jetzt nicht, dass, wenn man sich nicht so verhält, dass man dann selber schuld ist oder irgendwas. Ich glaube nur, wenn man als Mann merkt, das ist ne Frau, die ist schlau und lässt sich nicht verarschen, da hat man schon mehr Hemmungen so was zu provozieren.“

Sarah, Alida und ihr Bühnenpartner probieren verschiedene Spielweisen aus. Alida muss ihrem Gegenüber eine Ohrfeige verpassen. Küssen steht hier nicht auf dem Plan Aber: sich anfassen, sich berühren, das gehört dazu bei der Ausbildung, auch unter Dozenten und Studierenden, im Sprech- und Atemtraining zum Beispiel.

Die Grenzen sind fließend

„Es ist eben einfach ein Beruf, in dem man sich auch öffnen sollte, und da ist dann natürlich manchmal schwer zu unterscheiden: wo ist jetzt die Grenzüberschreitung und wo ist das noch okay“ Johanna Polley ist Schauspielerin und Absolventin der Filmuni Babelsberg, seit zwei Jahren im Geschäft.

„Ja, eben weil du dich öffnest, bist du auch angreifbar. Aber da kommt es eben drauf an, inwiefern das noch sinnvoll ist für die Figur, für den Film, die Theateraufführung. Das ist immer so schwierig. Wo fängt der Übergriff an? Und: ist das jetzt gespielt oder ist das jetzt wirklich so privat unangenehm, also ... ja, äh, hmmm... es ist schwierig.“

Es hänge immer von den Leuten ab, von der Konstellation, der Situation. Gerade dreht Johanna Polley für die ZDF-Reihe „Der Kriminalist“. Sie spielt eine der Hauptrollen. Die Atmosphäre dort sei gut. Auch bei ihren anderen Drehs hat sie bisher überwiegend gute Erfahrungen gemacht. MeToo fängt für sie aber viel früher an: bei Rollenklischees und Besetzungspolitik. An der Uni habe ein sehr konservativer Dozent Frauen nur nach Klischee besetzt.

„Doch, die Macht wurde schon ausgenutzt, die Machtposition entscheiden zu können wurde ausgenutzt. Und jetzt gab es aber einen Wechsel, und jetzt ist die Stimmung total anders! Allein dadurch, dass eben ein Mann nicht mehr seine Machtstruktur da durchsetzen kann.“

Seminar zu Hierarchien am Filmset

„Hierarchien am Set“ – so heißt ein  Seminar an der privaten Starter-Schauspielschule für Film und Fernsehen in Prenzlauer Berg. Es findet zum zweiten Mal statt. Als Reaktion auf die MeToo-Debatte. Aber auch auf schlechte Erfahrungen, die ein paar Absolventinnen mit einem Schauspielagenten gemacht hatten. Er soll sie für eine Castingprobe auf ein Hotelzimmer bestellt haben, wo sie sich nackt ausziehen sollten.

„…und er hat anscheinend die Hand hier so auf die Brust gelegt und sich gemeinsam vor den Spiegel gestellt und Sachen gesagt und so."

Christine Knauff, Gründerin  und Leiterin der Starter Schauspielschule: "Natürlich hätten sie wahrscheinlich aufstehen und gehen können. Aber natürlich wollen sie sich das dann in dem Moment nicht verscherzen mit ihrem Agenten, der sie auch in ihrer Karriere unterstützt, das ist ein ganz zweischneidiges Schwert.“

Beschwerdestelle des Bundesverbands Schauspiel

Mittlerweile sind die Vorwürfe an die neu eingerichtete Beschwerdestelle des Bundesverbands Schauspiel weitergeleitet worden. An den Schauspielschulen wird jetzt überall diskutiert, es gibt Vorträge und Versammlungen. Aber: wie verschaffe ich mir als unerfahrene Schauspielerin Sicherheit, was darf ich fordern? Im Seminar an der Starter Schauspielschule geht es um diese praktischen Fragen. Und auch um Grundsätzliches:  wie lassen sich langfristig Strukturen verändern? Wie mit dem Mythos vom genialen Regie-Genie aufräumen, der im Namen der künstlerischen Freiheit reihenweise Grenzen verletzt?

Seminar-Teilnehmer Jan sagt: "Ich hab auch im Nachhinein Situationen umbewertet, die passiert sind, wo mir jetzt erst klar wurde, dass da Grenzen überschritten wurden und ich würde jetzt den Mund aufmachen, ich würde was sagen.“

Polley: "MeToo ist keine Generationenfrage"

Dass Missbrauch und Belästigung mit der alten Generation verschwinden, das glaubt hier niemand. Auch für Johanna Polley ist MeToo keine Generationenfrage. Ihr Drehpartner sei über 60 und sehr modern, ein gleichaltriger Kommilitone sei dagegen ein Grapscher gewesen. Sie wünscht sich allerdings, dass die Debatte jetzt langsam eine andere Richtung einschlägt:

„Es hat einen gewissen Hysteriefaktor jetzt erreicht, und das ist so schädlich, Jetzt wäre die Zeit gekommen, glaube ich, die Männer zu zeigen, die eben nicht  Frauen komisch anfassen oder Männer komisch anfassen, also ich finde, man müsste eher sagen: hier ist ein positives Beispiel. Das ist gut gelaufen. Das muss ja das andere gar nicht überschatten. Und das wäre jetzt mal an der Zeit.“

"Unsere Generation geht anders mit Macht um"

An der Hochschulschule für Schauspielkunst Ernst Busch proben Schauspielschülerin Alida und  Regiestudentin Sarah weiter. Für sie steht fest: doch, mit ihrer Generation wird vieles anders laufen:

„Ich hab das Gefühl, dass wir eine Generation sind, die ganz anders mit Macht umgeht und dass es uns halt nicht mehr um klare Hierarchien geht, sondern um Kooperation. Und wir sind auch nicht so dran gewöhnt, dass es so einen klaren Unterschied gibt zwischen Boss und Angestellter. Und ich glaub dadurch wird sich das grundsätzlich verändern.“