Visionäre der Stadt - Radbahn quer durch Berlin
Berlin platzt aus allen Nähten, heißt es immer. Was tun gegen den drohenden Infarkt? Falsch, sagt Matthias Heskamp. In Berlin sei Platz genug: "Wir müssen ihn uns nur zurückerobern." Heskamp ist Architekt und Fahrradfahrer aus Leidenschaft. Beides hat er zusammen mit seinem Team in einer Vision verarbeitet: Ein moderner Radweg quer durch Berlin, ohne Hindernisse, ohne Stress. Die "Radbahn Berlin" soll neun Kilometer lang sein und vom Bahnhof Zoo bis zur Oberbaumbrücke führen - nicht in Form neuer Radwege am Straßenrand, sondern ab durch die Mitte.
Fast neun Kilometer sicheres Radfahren quer durch die City - vom Bahnhof Zoo bis zur Warschauer Brücke - das ist die Ausgangsidee für das Projekt "Radbahn". Eine reine Rennstrecke nur für Fahrradfahrer soll sie nicht sein. Die Radbahn will eher den bislang brach liegenden Raum unter Berlins berühmter Hochbahn der U1 in eine pulsierende urbane Hauptschlagader verwandeln. Sie wäre der erste überdachte Radweg Deutschlands und soll - ähnlich wie die New Yorker Hochbahn - zu einem neuen Publikumsmagneten für Berlin werden, der nicht nur Fahrradfahrer anzieht.
Mit Grünstreifen und "Möckernstrand"
Drei bis vier Meter breit und mit einem reifenfreundlichen Belag, dessen Solarzellen gleichzeitig Strom produzieren, so stellen sich die Planer den Radweg vor. Am Rand der Strecke soll auch Platz für Grünstreifen und Promenaden sein, am Landwehr-Kanal entstünde eine Freitreppe mit Südblick, der "Möckernstrand" -. Das Konzept enthält viele Ideen: einen Hafen, in dem Container auf Lastenräder geladen werden, Sensoren, die bei Regen den Radlern länger Ampel-Grün geben, zum Beispiel. Geplant ist, dass die Strecke zunächst über den Mittelstreifen der Tauentzienstraße führt, wo sich Radfahrer und Fußgäger den Platz teilen.
Am Anfang war die Skepsis
An der Bülowstraße geht es weiter unter der U2-Trasse entlang, dann durch den Park am Gleisdreieck, vorbei am Halleschen und dem Kottbusser Tor. Wo es möglich ist, soll es unter dem Viadukt der U1 entlang gehen, sonst daneben auf der Straße, schließlich über die Oberbaumbrücke zur Warschauer Straße.
Im Herbst 2015 haben die acht Stadtplaner und Architekten um Mitinitiator Matthias Heskamp ihr Projekt zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Damals bekamen sie viel Kritik: Kaum zu realisieren, kein Platz, verkehrstechnisch kompliziert und zu teuer, hieß es. Seitdem feilen sie am Konzept und an Lösungsvorschlägen für die schwierigen Passagen der Strecke.
Die "Fahrrad-City" im Visier
Die inzwischen ausgefeilte Planung umfasst 140 Seiten. Rund 13 Millionen Euro soll die Strecke kosten - bei einer besonders aufwendigen Umsetzung das Doppelte. Doch anders als zu Beginn stößt die Idee jetzt auch in der Politik auf offnene Ohren, der rot-rot-grüne Senat will ja Berlin zur Fahrrad-City machen.