Klaus Lederer (Bild: imago/IPON)
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- Lederer: "Staatsoper wird im Herbst eröffnet"

Klaus Lederer war mehr als zehn Jahre lang Landesvorsitzender der Linken. Seit rund 100 Tagen ist er nun Kultursenator in der rot-rot-grünen Regierung. Über seine Erfahrungen in dieser ersten Zeit im Amt, über das Verhältnis zu den Koalitionspartnern - und über den voraussichtlichen Öffnungstermin der Staatsoper hat Klaus Lederer mit der landespolitischen Inforadio-Reporterin Kirsten Buchmann gesprochen.

DAS GESPRÄCH IM WORTLAUT:

Kirsten Buchmann: Herr Lederer, Sie sind seit rund 100 Tagen Senator. Wenn Sie morgens aufwachen, woran denken Sie als Erstes? An Kultur? An Andrej Holm?  An Religion? Oder Europa?

Klaus Lederer: Das kommt immer darauf an. Auf das, was sich gerade in meinem Kopf abgespielt hat in der Nacht. Ich merke schon, ich träume intensiver und ich verarbeite. Also die Schlagzahl von Terminen und Themen ist viel höher als vorher und ich hatte auch schon vorher nicht das Gefühl, ein fauler Mensch zu sein. Es ist schon ein ziemlich Herausforderung und eine Frage der Gewöhnung.

Buchmann: Herr Lederer, im Oktober habe ich Sie auf Landesparteitag der Linken erlebt. Dort haben Sie für Rot-Rot-Grün geworben und das klang damals, aus meiner Sicht, etwas vorsichtig und weniger enthusiastisch. Nach rund 100 Tagen Rot-Rot-Grün möchte ich Sie fragen: Wie sehen Sie diese Konstellation heute?

Lederer: Wir hatten relativ große Schwierigkeiten beim Start. Da kam der schreckliche Anschlag auf dem Breitscheidplatz und das war auch mental eine sehr, sehr anstrengende Sache. Man ist kaum im Amt und dann erlebt man sowas und muss damit irgendwie umgehen – auch mit den Erwartungen der Leute, darauf in kluger und bedächtiger Weise zu reagieren. Das ist uns unterm Strich ganz gut gelungen, denke ich. Und natürlich ist es auch so: Da treffen drei Partner aufeinander, die alle sehr unterschiedliche Erfahrungen haben. Wir haben nur ein bisschen regiert und nicht nur mit guten Erfahrungen. Die Grünen haben lange nicht regiert. Und die SPD, bei der hat man das Gefühl, dass sie sie gar nicht mehr vorstellen kann, wie es wäre, wenn man nicht regiert. Da muss sich natürlich auch manches zusammenschieben und es gibt nicht sofort Vertrauen – vor allem, wenn man alles, was in internen Gesprächen gesprochen wurde, am nächsten Tag in der Zeitung liest. Wir mussten uns schon ein bisschen zusammenraufen. Dann kam auch noch dazu, dass die Wahl für die Grünen und die SPD nicht so gut gelaufen war – und für uns schon sehr gut.

Buchmann: Es hieß ja, die Linke will kein Koch-Kellner-Verhältnis des großen Koalitionspartners gegenüber dem Kleinen, das hat sie betont. Läuft die Zusammenarbeit bisher auf Augenhöhe?

Lederer: Es gibt immer wieder Nicklichkeiten. Das ist aber ganz normal, glaube ich. Ich will mal die positiven Beispiele der Kooperation hervorrufen: Wenn Sozialsenatorin Elke Breitenbach und Finanzsenator  Kollatz-Ahnen gemeinsam anpacken und endlich passiert, was längst hätte passieren sollen: Dass die Turnhallen endlich leer geräumt  werden und die Geflüchteten eine vernünftige Unterkunft bekommen. Auch im Bereich der kulturellen Bildung arbeiten wir sehr gut mit der Bildungsverwaltung zusammen. Also es läuft auch vieles langsam gut an und ich glaube, dass die zweite Hälfte unserer ersten 100 Tage deutlich besser war als die Erste.

Buchmann: Auf die Zusammenarbeit in der Kultur möchte ich Sie auch gleich ansprechen: In Ihrer Rolle als Kultursenator haben Sie diese Zusammenarbeit von Rot-Rot-Grün betont. Bei den Ku’Damm-Bühnen haben Sie es so beschrieben, dass Ihre Kulturverwaltung zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister und ehemaligen Kultursenator Michael Müller von der SPD und dem zuständigen Bezirksstadtrat von den Grünen agierte. Haben dort tatsächlich alle an einem Strang gezogen?

Lederer: Ja. Wir wollten endlich eine Lösung schaffen, die den Theater-Standort sichert. Wir haben am Anfang auch noch Illusionen gehabt, was die mögliche Sicherung der Bühnen als solche anbetrifft. Aber da musste ich sehr schnell lernen, dass der Zug schon vor Jahren abgefahren ist und dass das Land sich da auch eines Grundstücks und eines Nutzungsrechts beraubt hat – in einer Zeit, in der Berlin alles verkloppt hat, was nicht niet- und nagelfest war. Wenn Sie mich heute fragen, ich hätte vor 90 Tagen nicht gedacht, dass wir dann jetzt vor zwei Wochen so eine Lösung präsentieren können.

Buchmann: Und was die Übergangslösung für die Ku’Damm-Bühnen angeht: Geht dort die Zusammenarbeit weiter? Denn die müssen nächstes Jahr ausziehen und dann dauert es zwei bis drei Jahre bis ihr neues Haus steht. Was planen Sie da als Lösung?

Lederer: Wir werden eine Lösung für die Zwischennutzung haben. Da ist das Schiller-Theater natürlich eine denkbare Lösung, klar. Denn das ist ein Theater-Standort in der Nähe. Aber die Details werden wir dann bereden, wenn es soweit ist.

Buchmann: Im Schiller-Theater ist ja im Moment noch die Staatsoper. Wie sehen Sie denn da den Zeitplan? Das Schiller Theater soll ja dann frei werden, wenn die Staatsoper im Herbst auszieht. Wird das am 3. Oktober dieses Jahres sein – wie es ja eigentlich schon lange geplant ist?

Lederer: Wir gehen fest davon aus, dass wir im Herbst dieses Jahres die Staatsoper eröffnen können. Ich bin da zuversichtlich.

Buchmann: Und nach der Eröffnung – Sie sagten die Oper werde Unter den Linden nicht sofort in vollem Regelbetrieb spielen können – heißt das, einige Vorstellungen werden da stattfinden, andere dort im Schiller-Theater?

Lederer: Nein. Ich gehe davon aus, dass die Staatsoper das neue Haus tatsächlich sukzessive in Besitz nimmt. Sie müssen sich ja Folgendes vor Augen führen: Im Grunde ist in die Hülle des alten Gebäudes der Staatsoper eines der modernsten Opernhäuser gebaut worden. Da müssen Technikerinnen und Techniker lernen, wie sie das bedienen. Wir wollen ja keine Situation haben, dass der Vorhang auf der Hälfte stehenbleibt oder die Kulisse in der Luft hängt. Das muss alles geübt werden. Was in der Zeit erfolgen wird, ist das Einschleifen dieser Prozesse. Im Oktober wird aber dann trotzdem schon das Haus in Besitz genommen.

Buchmann: Das Haus wird in Besitz genommen und es wird auch ein Intendantenwechsel angebahnt an der Staatsoper. Das scheint relativ reibungslos zu laufen. Anders ist es beim Staatsballett: Die Beschäftigten haben sofort gegen die Entscheidung für das künftige Leitungsduo, Sascha Waltz und Johannes Öhmann, protestiert als sie bekannt wurde. Wie versuchen Sie, die Wogen zu glätten?

Lederer: Das ist ja nicht der einzige Fall, in dem offenbar alle möglichen Beteiligten von einer vom Katheder verkündeten Lösung überrascht worden sind, ohne dass vorher ausreichend kommuniziert worden ist und ohne dass man gefragt hat: „Wie stellt ihr euch eigentlich die Perspektive vor?“ Insofern werden wir jetzt mit sehr viel Sensibilität versuchen müssen, die Sorgen und Ängste die da existieren, auszuräumen. Das heißt auch, dass die Intendanzen gefragt sind. Sie müssen diese Sorgen ernst nehmen und sie müssen darstellen, auf welche Art und Weise sie der Erwartung gerecht werden, dass im Staatsballett auch weiterhin klassisches Ballett auf höchstem Niveau gemacht wird. Natürlich nicht ausschließlich. Das ist auch jetzt nicht so, es gibt immer Kooperationsformen. Das Staatsballett hat über Jahre hinweg unter der Intendanz von Malakhov tatsächlich Weltruf errungen, aber das ist in den vergangenen Jahren etwas ins Stottern gekommen.  Deshalb haben wir natürlich Interesse daran, jetzt einen schwungvollen Start hinzulegen. Und da sehe ich mich als Moderator.

Buchmann: Sie haben es eben schon angedeutet: Das ist nicht die einzige umstrittene Personalie. Es gibt eine, die ist noch viel öffentlicher umstritten: Chris Dercon als Castorf-Nachfolger an der Volksbühne. Hat Ihnen Ihr Vorgänger als Kultursenator, Herr Müller, eigentlich eine Begründung genannt, warum Castorf mit seinen Mitte 60 nicht weitermachen soll? Andere leiten in dem Alter ja noch 10 bis 15 Jahre lang Häuser.

Lederer: Also er hat ja weder mir noch der Öffentlichkeit dazu eine Begründung gegeben, sondern die Entscheidung wurde verkündet. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde die Art und Weise, wie man mit einem Theatermacher wie Frank Castorf umgegangen ist – für Berlin – eigentlich unter aller Würde. Hier geht es um ein Theater, das sich in den vergangenen 25 Jahren ein Standing erworben hat und weit über die Mauern unserer Stadt hinweg weltbekannt geworden ist. Nämlich durch eine spezifische Art des Spiels und des Aufgreifens gesellschaftlicher Konflikte im Theater. Das ist eine Theatertradition, die eine sehr lange Traditionslinie hat. Diese Theaterperspektive wurde so abrupt abgebrochen. Und ich glaube ich nicht der Einzige, dem das unverständlich erscheint.

Buchmann: Sie haben das schon im Wahlkampf als Fehlentscheidung kritisiert und dann später auch angekündigt, die Personalie prüfen zu wollen. Warum konnten Sie in den Gesprächen, die Sie geführt haben, trotzdem offenbar nicht daran rütteln?

Lederer: Es ist so: Wenn man einen Vertrag abschließt, dann ist dieser Vertrag erstmal gültig. Man kann dann versuchen, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, die möglicherweise andere Wege eröffnen. Ich habe versucht, auch andere Möglichkeiten zu eröffnen, wo Chris Dercon – mit seinen ja durchaus vorhandenen Fähigkeiten – unserer Stadt vielleicht besser und erfolgreicher hätte dienen können. Ich will keine Prognose geben, wie das jetzt wird, aber es ist bekannt, dass wir unterschiedliche Vorstellungen haben, was ein Stadttheater ausmacht, welche Produktionsweisen sich mit einem Stadttheater verbinden. Wir sind jetzt auseinander gegangen in dem Wissen darum, dass wir an dieser Stelle uns nicht einigen können. Ich halte trotz alledem diese Differenz für aushaltbar. Es bleibt uns ja auch gar nichts anderes übrig. Wenn ich am Vertrag festhalte, so erwarte ich umgekehrt, dass Chris Dercon seinen Vertrag auch erfüllt. Das heißt für mich jetzt auch, dass er als Intendant in der Verantwortung ist, mit den Menschen, die die Volksbühne ausmachen jetzt in eine schnelle Kommunikation zu kommen und auch dort die existierenden Sorgen, was die Produktionsweisen der Volksbühne betrifft, auszuräumen.

Buchmann: Herr Lederer, wie viele Volksbühnenvorstellungen werden Sie sich bis zur Sommerpause in der letzten Castorf-Spielzeit noch ansehen, bevor Chris Dercon kommt?

Lederer: Ich werde versuchen, so viele wie möglich mitzunehmen. Also ich war auch in der Vergangenheit sehr oft in der Volksbühne. Das ist ein Theater, mit dem ich mich persönlich sehr verbunden fühle. Mal schauen, möglicherweise kriege ich es sogar noch einmal hin mit nach Avignon zu fliegen, wenn Frank Castorf dort eine Vorstellung hat.

Buchmann: Werden Sie denn auch die Eröffnung an der Volksbühne in der neuen Spielzeit unter Chris Dercon besuchen oder sind Sie da reserviert?

Lederer: Natürlich werde ich mir, wie in jedem anderen Theater unserer Stadt, anschauen, was die Intendanten, die Künstlerinnen und Künstler machen. Das gehört zum Beruf dazu. Es kann jetzt nicht darum gehen, Eitelkeiten oder Groll zu kultivieren. Ich habe meine Position gesagt. Nichtsdestotrotz bin ich natürlich voller Erwartungen, was zukünftig passiert.

Buchmann: Und noch einmal zur Zukunft der Volksbühne: Wie wird denn der Zuschuss für die Volksbühne unter dem neuen Intendanten Chris Dercon aussehen? Wie viel Geld wird er künftig bekommen, nach der, im Vergleich zu anderen Häusern, üppigen Ausstattung für ihn zum Auftakt?

Lederer: Es gab unterschiedliche Signale. Im Abgeordnetenhaus ist gesagt worden, dass der Aufwuchs ein einmaliger sei, weil diese Doppelintendanz-Situation das so erfordere. Daran halte ich mich natürlich. Das heißt, Chris Dercon hat ab der nächsten Spielzeit den Etat, den Frank Castorf auch hatte und er wird damit das Haus bespielen.

Buchmann: Bei der Volksbühne waren Ihre Spielräume als Kultursenator eng. Wegen der Entscheidungen, die Ihre Vorgänger getroffen haben. Als Ihre Handschrift als Politiker der Linken lese ich vor allem heraus, dass Sie die Spitzengehälter in der Kultur veröffentlichen wollen. Bisher galt in diesem Bereich höchste Diskretion. Teilen Sie nicht die Sorge von Kritikern, dass das Spitzenleute abschrecken könnte, nach Berlin zu kommen?

Lederer: Die Argumentationslinie kenne ich schon. Als wir im Jahr 2003/2004 im Abgeordnetenhaus die Initiative ergriffen haben, die Managergehälter der landeseigenen Unternehmen offen zu legen, sind mir dieselben Argumente entgegen gehalten worden. Wir haben inzwischen alle Gehälter offen gelegt. Und keiner jammert mehr darüber, sondern alle finden es völlig normal, dass bei Gehältern, die aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, Transparenz herrschen soll. Ich sehe diese Sorge nicht.

Buchmann: Ein weiteres wichtiges Anliegen von Ihnen als Linkspolitiker ist der kostenlose Eintritt in Kultureinrichtungen zu bestimmten Zeiten. Stichwort "Kultur für Alle". Was haben Sie da konkret vor?

Lederer: Wir werden schauen müssen, dass wir bestimmte Zeitspannen identifizieren, in denen wir diesen Eintritt frei machen. Das müssen wir natürlich mit den Einrichtungen selbst besprechen. Und wir müssen auch absichern, dass die Einnahmeausfälle im Gegenzug vom Land erstattet werden. Das heißt, wir sind im intensiven Austausch mit den Einrichtungen. Aber das wird erst mit dem nächsten Doppelhaushalt gehen. Wir haben jetzt im Nachtragshaushalt schon einmal dafür gesorgt, dass die Tarife der Einrichtungen deutlich angepasst werden. Und das ist ohnehin ein Schwerpunkt: Kulturelle Arbeit abzusichern, soziale Mindeststandards zu sichern und in den Musikschulen dafür zu sorgen, dass die Mindestquote von 20 Prozent Festangestellten endlich erreicht wird. Das sind die Dinge, an denen arbeiten wir jetzt schon sehr intensiv und hoffen, dass wir mit dem nächsten Doppelhaushalt diese Maßnahmen auch absichern können.

Buchmann: Stichwort "Kultur für alle": Das Stichwort Bibliothek haben Sie jetzt nicht erwähnt. Es gibt ein großes Projekt Ihres Vor-Vorgängers, Klaus Wowereit, nämlich die neu zentrale Landesbibliothek. Inwieweit wollen Sie das Thema vorantreiben?

Lederer: Wir haben es in der Investitionsplanung nach wie vor drin und müssen jetzt noch einmal sehr intensiv schauen, wo der geeignete Ort ist. Es stehen derzeit zwei Orte zur Debatte: die Amerika-Gedenkbibliothek und das Gelände vor dem Humboldt Forum, Richtung Alexanderplatz. Wir müssen dann überprüfen, ob die veranschlagten Mittel bei dem derzeitigen Raumprogramm, das die ZLB dann auch braucht, realistisch veranschlagt sind. Und dann müssen wir dafür sorgen, dass wir das Geld auftreiben.

Buchmann: In welchem Zeitrahmen kann man das sagen? Ist das für die nächsten 100 Tage?

Lederer: Ich glaube nicht, dass wir das in den nächsten 100 Tagen schaffen. Das wird vermutlich auch im nächsten Doppelhaushalt nicht klappen. Für diese Summe werden die Investitionsmittel noch nicht da sein. Das hat auch damit zu tun, dass wir gesagt haben, wir wollen in Kitas und Schulen investieren und wir wollen in die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften investieren. Das sind ja auch alles Baustellen. Dann bleibt eben die Frage, ob sich die Einnahmesituation Berlins weiter so gut entwickeln wird. Wenn das passiert, dann gehe ich fest davon aus, dass das auch ein positives Zeichen für den Neubau der ZLB ist.

Übersicht

Senatoren im Berliner Abgeordnetenhaus (Foto: imago/Stefan Zeitz)
imago/Stefan Zeitz

Senatoren im Interview - 100 Tage Rot-Rot-Grün

Am vergangenen Wochenende waren die Berliner Senatorinnen und Senatoren die ersten 100 Tage im Amt. Eine gute Gelegenheit, eine erste Bilanz zu ziehen. Dazu sprachen wir in der vergangenen und sprechen wir in dieser Woche immer um 10:45 Uhr mit allen Senatorinnen und Senatoren. Kurz danach, um 11:05 Uhr, wird ein Fachmann aus der Opposition auf das jeweilige Ressort reagieren.