- Sew it yourself: Wenn die Nähmaschine klemmt

Nähen ist wieder in – und wer näht, braucht eine Nähmaschine. Doch wohin geht man, wenn die gute, alte Maschine nicht so läuft, wie sie soll? Judith Kochendörfer hat ein über 100 Jahre altes Traditionsgeschäft in Berlin-Kreuzberg ausfindig gemacht, in dem auch uralte Nähmaschinen repariert werden - und das mit teilweise kreativen Mitteln.

Als meine von Oma geerbte Nähmaschine klemmte, wurde ich nervös: Wie kriege ich die jetzt wieder zum Laufen? Sie ist alt, sie ist schwer, sie ist aus der DDR- gibt es dafür überhaupt noch Ersatzteile? Und wenn ja: Wer baut mir die ein?

Meine Sorgen waren unbegründet. Allein im Umkreis von 500 Metern machte ich drei Nähmaschinen-Werkstätten ausfindig. Eine davon ein echter Traditionsbetrieb: Seit 1906, also genau seit 110 Jahren, sitzt "Müller Nähmaschinen" am Kottbusser Damm Nr. 6, erste Etage. In dem mit Maschinen vollgestellten 160-Quadratmeter -Laden scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Alte Schränke, alte Schilder, alte Kasse.

Wenn es ein Teil nicht mehr gibt, wird es gebastelt

Ariane Sauerbrey kümmert sich seit 2009 um den Laden, ihr Mann repariert seit 35 Jahren Nähmaschinen, seit 15 bei “Müller”: "Wenn Teile fehlen, grade bei alten Maschinen, wenn's die nicht mehr gibt, das ist das Schöne: dann kann er auch Teile herstellen. Basteln, friemeln."

Die Sauerbreys haben das Geschäft von Monika Brandt übernommen, die heute noch ehrenamtlich im Laden mitarbeitet, wenn ihr zu Hause die Decke auf den Kopf fällt:“Meine Schwiegerelten haben dieses Geschäft gekauft 1961, nach dem Mauerbau. Mein Mann ist 2006 verstorben, dann hab ich das weitergemacht, und dann haben sich Herr und Frau Sauerbrey entschlossen, weil ich ja auch nicht mehr die Jüngste bin, das weiter zu machen."

Vor der Wende hat "Müller Nähmaschinen" hauptsächlich Industriemaschinen betreut. Da fuhr man in die Firmen und brauchte kein sichtbares Ladengeschäft. Heute finden auch Privatkunden mit Haushaltsmaschinen das versteckte Lädchen trotzdem - weil sie es finden wollen

Müller hat einen exzellenten Ruf

Vor der Wende hat "Müller Nähmaschinen" hauptsächlich Industriemaschinen betreut. Da fuhr man in die Firmen und brauchte kein sichtbares Ladengeschäft. Heute finden auch Privatkunden mit Haushaltsmaschinen das versteckte Lädchen trotzdem - weil sie es finden wollen.  

"Ich hab angefangen 2009, da war Saure-Gurken-Zeit", erzählt Ariane Sauerbrey. "Nach der Wende ist ja die Mode erstmal abgehauen aus Berlin. Erst später kam die Mode langsam zurück, durch Fashion Week und Designer, und dann wurde das immer mehr, und das haben wir auch gemerkt.”

"Müller Nähmaschinen" hat einen exzellenten Ruf, als Werkstatt, als Telefonberater, als An- und Verkäufer und auch als Vermieter von Maschinen. Die Kundschaft ist bunt: Änderungssschneidereien, Sattlereien, Segelplanenhersteller. Designer frisch von der Modeschule, Filmausstatter und junge Frauen, die billigproduzierte Kleidung satt haben. Sie alle fühlen sich bei "Müller Nähmaschinen" gut aufgehoben: "Ich darf mal behaupten, dass wir hier in Berlin ein Geheimtipp sind. Auch für's Kaufen, dass wir alte Maschinen besorgen können. Und vielen muss man erstmal sagen, was sie überhaupt für eine Maschine brauchen."