Joseph Goebbels und Eugen Hadamovsky, Direktor der Reich-Rundfunk-Gesellschaft (Bild: DRA)

- Die unrühmlichste Epoche des Rundfunks

Nur zehn Jahre nach Beginn des regelmäßigen Sendebetriebes wurde das junge Medium durch die Nazis mißbraucht. Die unrühmlichste Epoche des Rundfunks begann. Markus Streim berichtet.

Am 29. Oktober 1923 begann der regelmäßige öffentliche Sendebetrieb. Doch nur zehn Jahre später wurde das junge Medium durch die Nazis mißbraucht. Die unrühmlichste Epoche des Rundfunks begann. Markus Streim berichtet.

Der erste Volksempfänger erscheint im Sommer ’33. Sein Name „VE 301“ steht aber für den 30. Januar, den Tag der Machtübernahme. Die SA zieht mit Fackeln durchs Brandenburger Tor, die Reporter berichten live:
"[…] dass wir einen geschichtlichen Moment, über dessen Bedeutung wir uns vielleicht heute noch gar nicht klar sind, in diesem Augenblick durch den Rundfunk miterleben."

Mehr als vier Millionen Haushalte sind schon auf Empfang, als Hitler am Folgetag seine erste Hörfunkansprache hält: "Die Aufgabe, die wir lösen müssen, ist die schwerste, die seit Menschengedenken deutschen Staatsmännern gestellt wurde."

Diese Stimmen tönt von nun an regelmäßig und deutlich aggressiver. Was sonst noch gesendet wird, bestimmt Reichsminister Joseph Goebbels: "Auch der Rundfunk hat sich ein- und unterzuordnen."

In den Sendeanstalten werden Mitarbeiter entlassen oder verhaftet. Noch im März ‘33 beginnt der Propagandafunk, Goebbels will jedes deutsche Haus erreichen – mithilfe preisgünstiger Volksempfänger.
"Denn es hatte sich gezeigt, dass vor allen Dingen die Ärmsten unseres Volkes vom Rundfunk ausgeschlossen blieben."

Olympia und Kriegsbeginn

Bis 1936 verdoppeln sich die Hörerzahlen. Zu den olympischen Spielen erscheint sogar das erste Kofferradio: "Sie müssen zu denen gehören, die ihren Olympiakoffer mit zum Boot nehmen, herausfahren und Rundfunk hören […]"

Aus Berlin berichtet nun der Olympia Weltsender. Die fliegende Redaktion holt die Stars vors Mikrofon. Berichterstattung in Berlin von den Olympischen Spielen: "Reporter: Mr. Owens, how many gold medals do you hope to win? Jesse Owens: I hope to emerge with three victories. Reporter: Drei bescheidene Goldmedaillen will Herr Owens mitnehmen."

Am Ende gewinnt Jesse Owens sogar viermal Gold. Aber kaum ist der olympische Rausch vorbei, schallt das Radio wieder national. "Goebbels Schnauze" wird der neue Volksempfänger genannt. Er wird hundertausendfach verkauft und transportiert auch Hitlers Lüge aus dem Reichstag, am 1. September 1939: "Seit 5:45 wird jetzt zurückgeschossen."

Deutschland zieht in den Krieg. Wer jetzt noch ausländische Sender hört, gilt als Rundfunkverbrecher, Juden müssen ihre Geräte abgeben.

”Ankerspill” (1942) aus dem großen Sendesaal im Berliner Haus des Rundfunks (Bild: Deutsches Rundfunkarchiv)
Bunter Unterhaltungssendungen sollen das Volk bei Laune halten

Das Radio gaukelt die heile Welt vor

Das Radio gaukelt die heile Welt vor, berichtet allein von Erfolgen. Selbst die verlorene Schlacht um Stalingrad soll triumphal klingen: "Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende!"

Februar 1943: die Wende im Krieg. Doch Goebbels beschwört noch einmal die Massen: "Insbesondere aber vor unseren Feinde, die uns in dieser Stunde auch hier im Rundfunk zuhören." Die Sportpalast-Rede ist aufgezeichnet und dröhnt kurz danach in die Welt.
Goebbels: "Wollt ihr den totalen Krieg?" Das millionenfache Sterben geht weiter und der Rundfunk sendet Unterhaltungsmusik.

20. Juli 1994: "Mordanschlag gegen den Führer. Augenzeuge: Die Bombe detonierte zwei Meter an meiner rechten Seite. Ich selbst bin völlig unverletzt."

Die letzten Kriegsmonate, das Radio dient dem Überlebenskampf. Immer mehr Reichssender fallen aus. Wehmachtsmedlungen kommen aus einem Bunker. Doch gelogen wird noch immer: "...dass unser Führer bis zum letzten Atemzuge kämpfend gefallen ist."

9. Mai ’45: Der letzte Reichssender Flensburg verkündet die Kapitulation: "Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende."

Danach: Funkstille.