- Berlinale Tipp: Chavela

Reiner Veits Filmempfehlung am achten Berlinale-Tag war für ihn die große Entdeckung dieses Filmfestivals - vielleicht nicht als Film, aber die Frau, die in dem Dokumentarfilm präsentiert wird: die Sängerin Chavela Vargas.

Im Grunde müsste das Leben von Chavela Vargas als ganz großer Spielfilm inszeniert werden, denn das ungewöhnliche Leben dieser außergewöhnlichen Frau hätte es verdient. Aber zum Entdecken und Wieder-Entdecken ist es ein Glück, dass es der Dokumentarfilm  "Chavela" der Autorinnen Catherine Gund und Daresha Kyi gibt. Aus kaum vorhandenem Material haben sie ein unverwechselbares Leben rekonstruiert.

In Puerto Rico geboren, machte Chavela, die ihre Homosexualität nie leugnete, im Mexiko der End-50er und 60er Jahre Karriere als Sängerin. Sie trat in den teuersten Night-Clubs auf, sang mit ihrer unglaublichen, faszinierend wandlungsfähigen Stimme von Weltschmerz und Einsamkeit, von unerfüllter Liebe zu Frauen. Die Songs waren für Männer geschrieben,  was den Texten durch ihre Interpretation knisternde Erotik verlieh. Das mondäne Acapulco lag der androgynen Chavela zu Füßen. Die wunderschöne Frau hatte Affären mit amerikanischen Filmstars und eine heftige Liaison mit der Malerin Frida Kahlo - und Chavela liebte den Alkohol immer stärker, immer mehr, bis sie ihre Karriere an die Wand fuhr, ihre Freunde weniger wurden und die Einsamkeit, von der sie so oft gesungen hatte, immer größer.

Chavela geriet in Vergessenheit, aber einer konnte ihre Stimme nicht vergessen und nutzte Chavelas Lieder immer wieder in seinen Filmen: Pedro Almodóvar. Er und ein paar Freunde suchten Chavela, fanden sie, bauten sie auf, legten sie trocken und holten sie zurück auf die Bühne. In kleine Clubs am Anfang, später in die große Konzertsäle, sogar in der Carnegie Hall - 13 Jahre nach dem Ende ihrer ersten Karriere die zweite. Chavela starb mit 93 Jahren einen Tag nach einem Auftritt. Wenn das kein Filmstoff ist.

Die beiden Regisseurinnen der Dokumentation haben aus dem wenigen Material, das ihnen zur Verfügung stand - überwiegend Fotos, Plakate und ein paar Dokumente - einen wunderbar anrührenden Film über eine kämpferische Frau gemacht, und geben den Liedern und der gewaltigen Stimme Chavelas viel Platz. Während sie singt, lesen wir Zeile für Zeile ihre Songtexte, die doch eher Gedichte voller Melancholie und Weltschmerz sind, sehen Ausschnitte aus einem Interview mit ihr, in dem sie aber nur wenig über ihr rätselhaftes Leben preisgibt. Umso mehr ist es eine große Leistung, dass der Film es dennoch schafft, ein packendes Porträt einer sehr charismatischen Frau und - bis ins höchste Alter - sehr selbstbewussten Künstlerin zu zeichnen.

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