"Schau mal, hier wollte ich die Taschen in die Seitennaht einsetzen…" Ulrike kommt seit einem Jahr regelmäßig ins Nähinstitut, gerade sitzt sie an einem graublauen Wollmantel. Zuhause hat sie zwar auch eine Nähmaschine: "Da repariere ich nur, sonst komme ich zu Nichts“

Es ist eine kleine, lockere Runde: Ulrike, Mutter von drei Kindern, kommt immer zusammen mit ihrer Freundin Inge: "Inge hatte mal Hübsches an und ich hab gefragt: Hast du dir das selber genäht? Und sie sagt: Nein, aber ich würde gern… Und dann haben wir nach Kursen geschaut und sind jetzt hier ein Jahr dabei."

Mia und Diana helfen und erklären - aber nur bei Bedarf, es hat nichts von einer Unterrichtsstunde. Die beiden jungen Frauen haben letztes Jahr ihre Ausbildung als Assistentinnen für Mode und Design abgeschlossen. Diana gründet nun ihr eigenes Label und Mia hat noch ein Modedesign-Studium drangehängt und ist schwer beschäftigt: "Ich bin noch Assistentin einer Designerin, die auch auf der Fashion Week zeigt und hab während der Kurse ihre Teile weitergenäht und neulich war ihre ganze Kollektion hier, total hektisch – ein bisschen wie in einem Atelier von Chanel. Also wir probieren schon unsere eigenen Projekte auch nebenbei zu machen."

Vier Kurseinheiten à zwei Stunden kosten 50 Euro am Nähinstitut. Eigentlich besteht es nur aus einem mittelgroßen Raum mit einem Tisch für die Zuschnitte und zehn verschiedenen Nähmaschinen - viele, vor allem jüngere Nähfans und auch Männer leisten sich gern ein paar Kurseinheiten, erzählt Mia.

Nicht selten bringt eine Kursteilnehmerin einen neugekauften Mantel mit, nimmt den Schnitt ab, trägt den Mantel zurück und näht ihn sich selbst aus ihrem Lieblingsstoff nach. Preislich lohnt sich das in der Regel nicht. Im Gegenteil.

Ulrikes Wollmantel wird auch heute noch nicht fertig - aber das ist eigentlich auch nicht so schlimm: "Das hier ist meine Zeit für mich!"