Liebespaar auf einer Rolltreppe in einem Warenhaus
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100 Sekunden Leben - Herzen auf der Rolltreppe

Wenn ein Kaufhaus schließt, dann ist das für die Anwohner oft ein Verlust. Aber ist es gleich Liebeskummer? Das Aus für die Karstadt-Filiale in Berlin-Wedding diesen Mittwoch beschäftigt jedenfalls das Herz unserer Kolumnistin Doris Anselm.

Der räumliche Aufbau von Kaufhäusern ist oft so ähnlich wie der zeitliche Ablauf romantischer Beziehungen. Gucken Sie mal auf den Etagenplan! Wenn man reinkommt, also einander kennenlernt, kriegt man zunächst die gepflegte Oberfläche präsentiert: Make-Up, Uhren, Ledergürtel, Handtaschen, Parfüm: All das soll einen guten ersten Eindruck machen – im Kaufhaus-Erdgeschoss genauso wie beim ersten Date.

Fährt man dann mit der Rolltreppe hoch zum nächsten Level der Bekanntschaft, geht man einander erst an die Oberbekleidung, dann an die Wäsche. Im dritten oder vierten Stock zieht man zusammen, inklusive Geschirr, Kaffeemaschine und Staubsauger, und als Höchstes der Gefühle (also fünfter Stock) wollen viele Paare irgendwann Kinder… -Spielzeug.

Soweit meine Etagentheorie. Ich hatte länger nicht mehr dran gedacht. Bis ich vom Aus der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filiale in Berlin-Wedding las. Dort ist jetzt endgültig Schluss. Nun frage ich mich: Was heißt das metaphorisch für das Ende einer Liebe? Lief es wirklich so schlecht im Haus, oder waren die äußeren Umstände schuld, Stichwort Investorenpleite? Und wenn die Liebe schon futsch ist: Steht die tote Beziehung dann noch jahrelang, monolithisch, kalt und leer im eigenen Leben herum? Soll man das Haus lieber schnell abreißen? Oder lässt es sich vielleicht doch noch mal beleben, umbauen, wenn man sich gemeinschaftlich bemüht?

Vielleicht ist ja die ganze Idee von gestern, dass dieses eine Haus alle Bedürfnisse erfüllen soll. Aber das Gerenne von einer schicken Boutique zur nächsten nervt auch. Womöglich ist das Kaufhaus als Metapher für die Liebe insgesamt problematisch, und die Liebe sollte mehr wie eine grüne Wiese sein. Zu kitschig? Dann taugt vielleicht der Kompromiss: Die Liebe als Gartencenter.