Dass letztens der Sattel meines Fahrrades geklaut wurde - mitsamt des Sattelrohres - hatte ich ja schon berichtet. Auch dass ich in der Folge mehrere Tage im Stehen habe fahren müssen, weil ich zwar einen neuen Sattel kaufen konnte, nicht aber das passende Rohr, das es in dreißig unterschiedlichen Durchmessern gibt. Irgendwann habe ich das Sattelrohr dann aber doch bekommen, so dass ich mich wieder setzen konnte.

Und so wollte ich den Diebstahl schon als Berliner Alltagsskurrilität abtun und darüber lachen. Aber dann trat ich kürzlich vor die Haustür fand mein Fahrrad seltsam niederkniend vor. Als sei das Rad über Nacht zu einem Esel mutiert, der durstig ist und deshalb mit eingeknickten Beinen dasteht, um aus dem Fluss zu trinken. Nur dass meinem Fahrrad die Vorderbeine fehlten. Beziehungsweise: das Vorderrad.

Der Dieb hatte das Rad fachmännisch demontiert. Die Bremse war ausgehängt und der Stecker so aus dem Nabendynamo gezogen, dass ich ihn würde wiederverwenden können. Weshalb ich mich schon bei dem Unbekannten bedanken wollte. Aber dann fand ich es doch besorgniserregend, dass jemand erst einen Sattel klaut und dann auch noch das Vorderrad – statt gleich das ganze Rad mitzunehmen. Sollte da etwa Rache im Spiel sein? Will mich der Mann, der möglicherweise auch eine Frau ist, in den Irrsinn treiben? Wäre es ratsam, mich zu bewaffnen?

Ich habe dann aber doch vom Kauf einer Pistole abgesehen, kniete die Straße runter doch noch ein anderes Fahrrad trinkeselgleich auf seiner Gabel. Offensichtlich benötigt der Dieb Vorderräder für seinen Ersatzteilhandel. Berliner Kleingewerbe halt. "Ick koof bei Lehmann". Nur dass der Mann, der auch eine Frau sein könnte, vermutlich anders heißt.