Aussenaufnahme des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe von außen (Bild.Uli Deck/dpa)
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Interview - Pestalozza: "Wenn es ernst wird, wird auch die Verfassung nicht respektiert"

Die Ampelkoalition will das Bundesverfassungsgericht besser vor der Einflussnahme durch politische Akteure schützen. Dafür wäre aber eine Grundgesetzänderung nötig. Der Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza empfiehlt, gleich mehrere Punkte in die Verfassung aufzunehmen.

Um das Bundesverfassungsgericht besser vor der Einflussnahme durch demokratiefeindliche politische Kräfte zu schützen, überlegt die Ampelkoalition, die Verfassung zu ändern. Sowohl das Wahlverfahren als auch die Amtszeit der Verfassungsrichterinnen und -richter könnten damit im Grundgesetz festgeschrieben werden.

Für den Berliner Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza ist es vorstellbar, dass verfassungsfeindliche Parteien in der Regierung auch die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts gefährden könnten. Allerdings hänge das auch von den Mehrheitsverhältnissen ab. "Wenn sie allein regieren können, oder sogar Zweidrittelmehrheiten im Parlament haben, wächst natürlich die Gefahr willkürlicher Veränderungen.“

Amtszeit sollte in der Verfassung festgeschrieben werden

 

Als Schutz vor solchen Veränderungen könnten Vorgaben, die bisher nur im einfachen Bundesverfassungsgerichtsgesetz stehen, in die Verfassung gehoben werden. Dann brauche es sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit, um an diesen Vorgaben etwas zu ändern, erklärt der Jurist. "Das Extreme kurzzeitig solche Mehrheiten erringen können, halte ich für völlig unwahrscheinlich."

Trotzdem müsse insbesondere die maximale Amtszeit für Verfassungsrichterinnen und -richter von 12 Jahren laut Pestalozza unbedingt in der Verfassung festgehalten werden. Neben dem Wahlverfahren und der Amtszeit empfiehlt der Rechtswissenschaftler, auch den besonderen Status des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan festzuschreiben. "Und hinzukommen müsste, […] dass die Entscheidungen des Gerichtes für den gesamten Staat verbindlich sind."

Auch die Verfassung ist kein Allheilmittel

 

Trotzdem rät Pestalozza zur Ruhe. Man dürfe jetzt nicht aus Angst vor verfassungsfeindlichen Kräften überhastet versuchen, alle möglichen demokratischen Ämter, wie etwa auch den Bundeswahlleiter oder den Bundesverfassungsschutz, durch die Verfassung abzusichern. Denn für den Jurist steht fest: "Wenn es wirklich ernst wird, wird auch die Verfassung nicht respektiert werden."

Hintergrund

Scholz: Mehr Schutz für Bundesverfassungsgericht

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich hinter die Idee gestellt, das Bundesverfassungsgericht stärker gegen politische Eingriffe zu schützen.

In Deutschland sei es in der Vergangenheit gelungen, stabile Institutionen zu schaffen, sagte Scholz dem rbb24 Inforadio bei einer Veranstaltung des Brandenburgischen Literaturbüros in Potsdam. Diese Tradition gelte es zu sichern.

In der Ampel-Koalition wird gerade überlegt, Einzelheiten zur Wahl und zur Amtszeit von Verfassungsrichtern im Grundgesetz festzuschreiben.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, zeigte sich im rbb24 Inforadio gesprächsbereit.