- Sew it yourself: Von wegen Topflappen!

Topflappen nähen, Kissen besticken -  Handarbeitsunterricht war lange Zeit verstaubt und hat nicht gerade Lust auf mehr gemacht. Wie lernen Kinder heute nähen? Damit beschäftigen wir uns in dieser Woche zur Fashion Week ganz intensiv. Selber nähen liegt im Trend - schon bei den Kleinen. Kulturreporterin Nadine Kreuzahler hat einen Kurs für Kids an der Fashion School in Wildau besucht und festgestellt: Verstaubt ist hier gar nichts!

"Jetzt nähen wir zusammen. Fass mal mit an, so, ja, lass die Finger dran, dass wir das drehen können. So, merkst du das?" Anke Schönberner zeigt der 10jährigen Jette, wie sie die Ohren für ihr Stoff-Nilpferd rund kriegt. Neben ihr versucht Ina gerade einen Henkel an ihrem bunten Stoffbeutel zu befestigen: "Ich muss jetzt hier das Band festnähen, so über Kreuz." Die Zehnjährige ist über eine Freundin in den Kurs gekommen und fast schon Profi. "Ich hab schon ne Federtasche genäht, und dann den Beutel und eine kleine Tasche. Mir macht’s immer Spaß, dass man hier selber nähen kann. Nicht kaufen, sondern Sachen selber nähen."

Die Kinder entscheiden selbst, was sie machen

Ein helles, freundliches Ladenlokal am Bahnhof von Wildau: Das ist die Fashion School. In der Mitte steht ein ovaler Tisch mit Nähmaschinen. An den Wänden: Regale mit Stoffballen, Schachteln mit Filz, Gummibändern, Kordeln. Die Atmosphäre ist gelöst und hat nichts vom klassischen Handarbeitsunterricht. Dreizehn Mädchen wuseln herum, die beiden Jungs sind heute nicht da. Anke Schönberner,  Schneiderin und Modedesignerin, hilft und gibt Tipps: "Die Kinder dürfen sich selber aussuchen, was sie machen", sagt Schönberner, "ich bin sozusagen nur der Induktionsgeber. Also, wir sind weg von diesem verstaubten 'Wir nähen Topflappen!', wir nähen halt wirklich Sachen, die alltagstauglich sind. Das macht sie ganz glücklich, dass sie das wirklich schaffen, das herzustellen und da sind sie ganz stolz drauf."

Das Abiball-Kleid für die große Schwester nähen

Einige wagen sich auch an Großes: Eine Elfjährige hat das Abiball-Kleid ihrer Schwester genäht und eine 14-Jährige ihr eigenes Konfirmations-Outfit. Die 13-jährige Elena näht sich gerade ein Sommerkleid aus blauem T-Shirt-Stoff und schwarzer Spitze. Seit sieben Jahren kommt sie schon in die Fashion School: "Also, mir macht es Spaß, dass man Sachen selber ausprobieren kann", sagt sie. "Wenn man jetzt z. B. was im Laden sieht, was  man gerne haben möchte, man aber nicht so viel Geld dafür ausgeben kann, dann macht man eben ein Foto und näht sich das dann einfach selber. Und das ist auch was Einzigartiges, wenn du dann mit einem Kleid in die Schule kommst, was niemand hat."

Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle

Anke Schönberner wühlt in einer Kiste mit Schnallen und Gurten. "Von alten Rucksäcken und Taschen haben wir das abgeschnitten, wenn die Leute die wegschmeißen, und dann nutzen wir die Schnallen wieder." Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle in den Nähkursen: "Eine sehr große Rolle, weil wir umweltbewusst arbeiten, Dinge, die kaputt sind oder einen Fleck haben, die werden nicht weggeworfen, sondern die werden eben neu gestaltet oder wir machen viel aus alten Sachen neue."

Kreatives Recyclen - das ist das eine Prinzip der Fashion School. Das andere lautet: "Dass man sich von dieser Perfektion löst, dass alles perfekt und gut und richtig sein muss, sondern dass man auch mal loslässt und Dinge zulässt und ausprobiert."

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Die Inforadio-Kulturredaktion ist auf Nadel und Faden gekommen: In dieser Serie dreht sich alles ums Nähen! Mit und ohne Maschine, von "langes Fädchen, faules Mädchen" bis "viele Stiche, viele Tränen". Selbstnähen ist angesagt und die Nähkurse boomen. Anlass ist die Fashion Week, die am Dienstag beginnt. Wir sind für sie beim Kindernähkurs, beim Nähen lernen via Internet und bei einem Betrieb, der seit 100 Jahren Nähmaschinen wieder heil macht.