100 Sekunden Leben - Warten auf die Krönung
Ein Leben lang hat er auf diesen Moment gewartet: Charles III. wird am Samstag zum britischen König gekrönt. Unser Kolumnist Thomas Hollmann gratuliert schon mal vorab, verzichtet aber freiwillig auf den Thron.
Ich hasse es zu warten. Wenn an der Kasse im Supermarkt drei Leute vor mir stehen, werde ich unleidig. Okay, an der Supermarktkasse kriegt man auch keine Krone geschenkt. Aber länger als eine Viertelstunde würde ich darauf nicht warten wollen.
Charles, der Arme, musste 71 Jahre ausharren. Er ist zwar schon 74. Aber die ersten Jahre konnte er noch hoffen, etwas Sinnvolleres mit seinem Leben anzustellen als zu warten. Aber dann wurde seine Mutter zu Elisabeth II. und er Duke of Cornwall - und die riesige Sanduhr begann zu rieseln.
Ich hatte die Mutter ja immer im Verdacht, dass die heimlich Sand nachschippt und ihren Sohn überleben will. Das macht das geduldige Warten nicht gerade angenehmer. Auch wenn Königskinder vermutlich darauf vorbereitet werden. Vielleicht, indem man sie einen Eisberg pantomimisch darstellen lässt, von morgens acht bis abends acht.
Okay, Charles hätte auf die Krone verzichten und wie sein Sohn Harry in eine bürgerliche Trutzburg flüchten können. Aber sonderlich glücklich scheint mir Harry auch nicht zu sein, obwohl der auf nichts mehr warten muss. Auch nicht auf das baldige Ableben seines in der Adelsschlange vor ihm stehenden Bruders.
Rio Reiser hat sich seinerzeit ja einfach selbst gekrönt. Aber Markus Söder will nicht König von Deutschland werden. Das hat der Potentat des Alpen-Freistaates bei Lanz gesagt. Für eine Kanzlerkandidatur stehe er nicht zur Verfügung, seine Lebensaufgabe sei Bayern. Das ist ja grundsätzlich löblich, dass da einer seine Landesgrenzen kennt. Auf der anderen Seite hätte ich mir das schon gerne angeschaut, wie Markus I. versucht, noch mehr Blattgold aufzulegen als Charles III.