alte Karl May Bücher
IMAGO / Wolfgang Maria Weber
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100 Sekunden Leben - Dresden und die Eigenwerbung mit Karl May

Die Stadt Dresden wirbt derzeit mit einer Broschüre für sich. So weit, so normal. Doch womit die sächsische Metropole wirbt, irritiert unseren Kolumnisten Thomas Hollmann dann doch.

Am Wochenende lag unserer Zeitung das "Dresden-Magazin" bei. Was jetzt erst einmal nicht ungewöhnlich ist. Auch andere Städte werben mit Broschüren für sich. Hamburg, München, Stuttgart, selbst das hässliche Köln hat schon mal versucht, sich als unwiderstehliche Destination darzustellen.

Da hat es Dresden leichter: die Semperoper, die Musikfestspiele im Mai, die frisch restaurierten Fresken im Residenzschloss. Und am Julius-Kühn-Institut züchten sie den Apfel der Zukunft, den man dort auch kosten kann.

Seltsam sah nur dieser Mann auf Seite 8 aus. Eine Art Sombrero trug der, dazu eine Kette mit mächtigen Tierzähnen, und in der Hand hielt er ein Gewehr. "Karl-May-Festtage" stand über dem alten Foto.

Sollte Dresden tatsächlich mit dem Erfinder von Winnetou und der kulturellen Aneignung für sich werben? Ungeachtet der Tatsache, dass sich Berlins Ober-Grüne Bettina Jarasch schon vor zwei Jahren dafür entschuldige, einst "Indianerhäuptling" werden zu wollen? Eine "unreflektierte Kindheitserinnerung" sei diese Äußerung gewesen. Ist Dresden also auch unreflektiert?

Aus kultur-gewandelter Sicht bestimmt, dürfen Kinder bei den Karl-May-Festtagen doch mit Pfeil und Bogen schießen und so den "Umgang mit der bedeutendsten Jagdwaffe der Indianer erlernen". Wie es auf der Homepage heißt. Würde mich wundern, sollten die Karl-May-Festtage ohne internationalen Protest über die Bühne gehen.

An vielen Berliner Schulen war das Indianer-Kostüm Karneval im Übrigen verboten. Als Darth Vader durften die Kinder dagegen gehen. Da kann man für den Fortbestand der Welt nur hoffen, dass Darth Vader das in Ordnung findet.