Ein einzelner Deutschland-Fan sitzt gegen 13:50 Uhr, kurz vor dem Anpfiff der Partie gegen Japan, in einem Biergarten in dem die Partie gezeigt wird
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100 Sekunden Leben - Wenn das WM-Gefühl fehlt

Seit Sonntag läuft die Weltmeisterschaft in Katar und auch unser Kolumnist Hendrik Schröder leidet als großer Fußballfan. Ihm fehlt einfach alles, was so ein Turnier ausmacht - vor allem die verbindende Kraft des Fußballs.

Eigentlich ist zur WM ja alles gesagt. aber jenseits aller politischen Fragen: Mir persönlich wird jetzt erst klar, wie viele schöne Erinnerungen ich mit solchen Turnieren habe. Geht Ihnen das auch so? Und jetzt läuft plötzlich so eine WM und man kann emotional gar nicht andocken. Und guckt fast kein Spiel und merkt: Da fehlt was. Das gemeinsame Erlebnis. Das Verbindende. Und ich erinnere mich mit wie vielen verschiedenen Menschen von überall her ich im Laufe der Jahre Spiele geguckt habe und wie toll das war.

Türkei-Spiele, vermeintlich fachsimpelnd vorm türkischen Kaffee in Kreuzberg, Italien-Spiele in der Lieblingspizzeria, Schweiz-Spiele vor dem Röschti Restaurant, nebenan ein Späti, vor dessen Fernseher sich die Fans der anderen Mannschaft, ich weiß nicht mehr welche es war, versammelt hatten, ein Gekreische und Gejubel. Dann England-Spiele auf den Kanaren im komplett britisch dominierten Pub, eins mal in der südafrikanischen Botschaft, mit Kroaten in Spanien, mit Portugiesen in Berlin. Was waren das alles für Begegnungen. Klar, Nationalmannschaft. Das ist Klischee und Folklore und der ganze Patriotismus dabei, den finde ich persönlich auch nicht wahnsinnig angenehm. Auch Deutschland-Fahnen mag ich immer noch nicht und ein "Wir" geht höchstens bei meinem Heimatverein über die Lippen.

Aber trotzdem glaube ich an diese verbindende Kraft des Fußballs. Daran, dass eine echte WM oder EM viel mehr zusammen bringt, als trennt. Ohne Fußball hätten die anderen Fans und ich meist keinen wirklichen Grund gehabt, miteinander zu reden. Mit Fußball hatten wir Grund genug, den ganzen Abend zusammen zu verbringen. Und jetzt können wir nur noch gemeinsam alles schlimm finden und Hallenhalma gucken oder sowas. Ach, ach, ach. Es ist so traurig.