100 Sekunden Leben - Hier wird Ihnen geholfen
Die ARD-Themenwoche beschäftigt sich in diesen Tagen mit der Frage nach dem Wir-Gefühl in unserer Gesellschaft. Unserem Kolumnisten ist dazu eine Geschichte eingefallen, die er Anfang des Jahres erlebt hat und die gezeigt hat, wie schön so ein "wir zusammen" manchmal sein kann. Von Hendrik Schröder
Wir fahren mit dem Übertragungswagen in die Sonnenallee, Neukölln, denn da hatte es gebrannt und wir sollen berichten. So einen Ü-Wagen müssen Sie sich vorstellen wie einen Bulli, nur durch die ganze Technik natürlich viel schwerer. Wir parken auf einer winzigen Brache zwischen den regulären Parkplätzen, denn wir haben es eilig, keine Zeit zum Suchen - und fahren uns fest.
Kein Quatsch, so butterweich der Boden da, es hatte viel geregnet, wir stecken im Morast, mitten in der Stadt. Egal, erst mal senden, wird schon gehen nachher. Drei Stunden später - geht es nicht. Räder drehen durch, wir stehen zu zweit, der Techniker und ich der Reporter, in der Dämmerung im Regen und schieben und ruckeln und fluchen und sehen ziemlich hilflos aus.
Ein halbes Dutzend Männer kommt zur Hilfe
Und es dauert keine drei Minuten und, ungelogen, ein halbes Dutzend Männer ist ungefragt um uns herum, ungefragt, schiebt mit, hat Ideen, sagt Vorderreifen gerade, nee, hier mach mal so. Einer holt Holz aus dem arabischen Supermarkt gegenüber und legt es unter den Reifen, ein anderer ruft über die Straße nach seinen Kumpels, die sollen schieben helfen, sie kommen.
Sie kennen uns gar nicht und eventuell sagt ihnen auch der rbb-Schriftzug auf unserem Wagen nichts, aber sie holen sich dreckige Finger und nasse Haare und schmutzige Schuhe. Sie machen unser Problem zu ihrem, ohne dass sie jemand darum gebeten hätte.
Alle zusammen mit geballter Kraft
Wir sind sehr sprachlos und irgendwie ist das ein schönes Gefühl. Wir alle zusammen mit geballter Kraft in der widrigen Witterung an der Karosse ruckelnd. Man könnte ein Werbevideo für Halspastillen oder Erkältungstee aus der Szene drehen Aber es nützt alles nix, der Ü-Wagen bleibt im Schlamm.
Ziehen wir raus, sagt dann einer. Holt seinen Van! Hat ein Abschleppseil dabei! Wir reden gar nicht mehr mit und lassen es einfach geschehen. Ein kleiner Kurzhaariger sperrt mit seiner natürlichen Autorität und verschränkten Armen mal eben den Gegenverkehr, drei Mal fährt der Van an und wummmss. Frei ist unsere rbb-Karre.
Wir jubeln und bedanken uns wortreich. Aber die Typen winken cool ab, ach kein Ding - und verstreuen sich in alle Richtungen. Wow.
