Ein kleiner Teil der Sonne wird bei der partiellen Sonnenfinsternis vom Mond verdeckt. (Bild: dpa)
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100 Sekunden Leben - Wie die Sonnenfinsternis die Fantasie anregen kann

Es wird am Dienstagmittag dunkel über Berlin und Brandenburg. Denn um zehn nach elf schiebt sich der Mond teilweise vor die Sonne und sorgt so für einen gehörigen Schatten. Kolumnist Thomas Hollmann wird diese partielle Sonnenfinsternis gespannt verfolgen – und dabei an seine persönliche Erleuchtung denken.

Es gibt Ereignisse, da weiß jeder, wo er gerade war. Als die Mauer fiel, beispielsweise. Da lag ich im Bett und habe einen Kater ausgeschlafen. Hellwach war ich hingegen, als sich am 11. August 1999 der Mond vor die Sonne schob. Und ich muss sagen: Diese totale Sonnenfinsternis hat meine Fantasie mindestens so beflügelt wie der Mauerfall. Seitdem kann ich mir vorstellen, dass Lucky Luke schneller schießt als sein Schatten.

Tags zuvor war ich nach Heidelberg gefahren. Denn im Südwesten sollte die Finsternis richtig total sein. Zur Sicherheit bin ich am Morgen noch ein Stück weiter runter nach Rastatt. Ich wollte die Verfinsterung alleine erleben. Und nachdem ich eine Einfamilienhaus-Siedlung hinter mir gelassen hatte, entdeckte ich diese Wiese, auf der keine Kuh stand und auch sonst niemand.

Also legte ich mich ins Gras, setzte meine Sonnenfinsternis-Brille auf und wartete. Irgendwann wurde die Sonne links unten schwarz. Wobei ich gar nicht mehr weiß, ob es tatsächlich links unten war oder nicht doch rechts oben. Denn mit einem Mal wurde ich von einem Gefühl unglaublicher Geschwindigkeit mitgerissen und ich wusste, nicht nur der Mond rast gerade an der Sonne vorbei; ich tue das ebenfalls. Dies begriff ich, wie ich regungslos auf der Wiese lag: Ich bin Passagier einer kosmischen Achterbahn – und ich bin total unbedeutend.

Nun ist das heute nur eine partielle Sonnenfinsternis. Da rauscht nicht so viel Schatten ran. Und doch hoffe ich, erneut ein Gefühl für das große Ganze und meine Winzigkeit zu bekommen. Denn das sollte man sich immer wieder mal klar machen: Gegen den Mond – und gegen Lucky Luke - hast du keine Chance.