Mann bekommt in einem Friseursalon den Bart gestutzt
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100 Sekunden Leben - Rassismus im Friseursalon

Unser Autor Hendrik Schröder gehört nach allen äußerlichen Merkmalen ganz klar zur Mehrheitsgesellschaft in diesem Land. Neulich hat er trotzdem ein Mal kurz erlebt, wie es ist, ob seiner Herkunft ausgegrenzt zu werden.

Neulich habe ich das erste Mal bewusst in meinem Leben erfahren, wie sich Diskriminierung anfühlt. Am eigenen Leib. Als weißer, großer, deutscher Cis-Mann mit Abitur erlebt man das im Alltag sonst nie. Nie.

Passiert war das bei einem Neuköllner Friseur. Ich fuhr zufällig an dem Laden vorbei, das Haar wild und wirr, Haarschnitt 10 Euro stand dran und ich hatte ein bisschen Zeit. Also rein. Moin, grüßte ich fröhlich. Zwei der ungefähr zwölf allesamt arabisch sprechenden Männer in dem Laden grummelten ein Hallo. Ich fühlte mich sofort nicht willkommen und fragte also: Kann ich warten. Ja, kannste,

In der folgenden Dreiviertelstunde wuselten immer neue Männer in den Laden raus und rein. Keine Ahnung, wer Kunde war, wer Kumpel, wer da arbeitete. Friseure machten Pause, tauschten die Plätze, mich beachtete niemand. Dann sagte endlich einer wohl ob meiner Hartnäckigkeit, immer noch auszuharren: Hier, kannst nach hinten zu dem gehen. Im Hinterraum wurde ich dann also vom Praktikanten oder Azubi oder wer das war, frisiert, jedenfalls einem Typen, der das noch nicht so oft gemacht hatte und sehr schüchtern war.

Dann veränderte sich plötzlich die Stimmung im Laden. Ein Mann mit ausladenden Bewegungen, Goldschmuck und einer sehr lauten Stimme und großer Klappe kam herein und riss sofort alle Aufmerksamkeit an sich. Ok, dachte ich, der ist hier der Babo, der Chef, alle haben Respekt oder sogar Angst. Der Typ sah mich, kam mit Zigarette im Mund bedrohlich nah an meinen Stuhl und sagte auf Deutsch - ich sollte es verstehen - zum Azubi: Ahh…bedient ihr jetzt auch Deutsche, so tief seid ihr gesunken. Und dann noch was in einer anderen Sprache. Ein Dutzend Männer lachte.

Das saß. Meine Identifikation mit meiner Nationalität war nie besonders ausgeprägt, aber der Typ machte mich gerade klein, minderwertig und zum Gespött, nur weil ich aussehe, wie ich aussehe und herkomme, wo ich herkomme. Lupenreiner Rassismus. Den Retourspruch musste ich mir kneifen, ich wollte nicht auch noch eine aufs Maul bekommen.

Dann knöpften sie mir noch 15 statt der angeschlagenen 10 Euro ab und ich verließ unter spöttischen Blicken den Laden. Gedemütigter als ich gedachte hätte, was natürlich auch an der großen Gruppe an Männern lag, die mich kollektiv verhöhnt hatte. Mann, dachte ich, als ich wieder auf der Straße war - andere Leute, die nicht so aussehen wie ich, erleben sowas jeden Tag, jeden Tag. Rassismus ist echt mit die ekelhafteste aller verbalen Waffen.