Der ÖPNV ist eine tolle Sache, meint unsere Kolumnistin Doris Anselm.
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100 Sekunden Leben - Mit Mutter Erde in der Tram - ÖPNV fahren auch ohne Eckarts Appell

Kolumnistin Doris Anselm nutzt gern öffentliche Verkehrsmittel. Aber gelobt werden will sie dafür nicht. Den Appell des Wissenschaftsjournalisten Eckart von Hirschhausen, auf die Öffis umzusteigen, braucht sie erst recht nicht.

Gestern saß ich in der Straßenbahn, und plötzlich sagte eine Stimme von oben laut "Hallo!" Ich schrak auf, aber da war niemand, weder Freund noch Straßenzeitungsverkäufer. Die Stimme jedoch redete weiter. Sie stellte sich als Eckart von Hirschhausen vor.

Ich bekam schon Angst, dass ich gerade die lächerlichste Psychose aller Zeiten entwickelte, aber anscheinend hörten die anderen Fahrgäste ihn auch. Der sympathisch aufgedrehte Gesundheitsclown redete ungefähr ein Jahr lang auf uns ein. Aber da die Strecke der M10 gar nicht so lang ist, täuscht mich mein Zeitgefühl hier garantiert.

Jedenfalls bedankte sich Eckart von Hirschhausen wortreich bei uns. Mir persönlich war nicht bewusst, dass ich ihm einen Gefallen getan hätte, aber wie sich herausstellte, dankte er auch nicht so sehr für sich, sondern, Zitat "im Namen von Mutter Erde". Ach herrje, dachte ich, wenn die Arme jetzt schon bei Hirschhausen in Behandlung ist, dann ist wirklich alles zu spät mit dem Klimawandel.

Und schon hatte die Ansage das Gegenteil von dem erreicht, was mutmaßlich ihr Ziel war: Uns in unserem klimaschützenden Fahrverhalten zu bestärken. Ohnehin werde ich immer misstrauisch, wenn sich jemand bei mir für etwas bedankt, wovon ich bisher glaubte, ich täte es in meinem eigenen Interesse. Zum Beispiel Straßenbahnfahren.

Ich würde ja gern behaupten, ich hätte aus Gewissensgründen den Dienst am Gaspedal verweigert. Aber ich brauche einfach nur kein Auto. Ich fahre mit den Öffis, weil, beziehungsweise: wenn(!) sie gut sind. Und sie sind sofort 5 Prozent weniger gut, wenn ich mir auf der Fahrt eine Predigt anhören muss.

Liebe BVG, bestraft doch bitte nicht die Fahrgäste, die ihr habt, dafür, dass andere Leute im Auto sitzen. Ich denke, mit dieser Bitte spreche ich nicht zuletzt auch für Mutter Erde.