Interview - Politologin Reuschenbach: Termindebatte jetzt schnell abräumen
Die einen wollen möglichst schnell eine Neuwahl, die anderen warnen vor überhastetem Handeln. Julia Reuschenbach von der FU Berlin empfliehlt, sich möglichst schnell auf einen Termin zu einigen.
Es wird eine Neuwahl geben – nur wann, das ist noch nicht klar. Einige politischen Akteure wollen sie lieber heute als morgen, andere warnen vor einem zu frühen Termin. Bundeskanzler Scholz sagt: es kann ganz schnell gehen, wenn sich die Fraktionschefs Merz und Mützenich auf eine Zusammenarbeit einigen können.
Julia Reuschenbach ist Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin. Sie findet Scholz‘ Vorgehensweise nicht klug – zu viele Stimmen gäbe es mittlerweile, auch aus Reihen der Grünen und der FDP, die eine schnelle Neuwahl fordern. Sie beobachtet, "dass der Druck doch größer wird, dass die Frage schneller kommen muss. […] Das Spiel darf jetzt nicht lauten, dass die politische Großdebatte dieser Tage die über den Wahltermin ist, sondern es muss vor allen Dingen um die großen Herausforderungen gehen, vor denen dieses Land steht."
Grundsätzliche Gesprächsbereitschaft von allen Seiten
Wichtige Gesetzesvorhaben und Entscheidungen stehen noch an vor der Neuwahl – wie die Entlastung der Industrie bei den Strompreisen, ein besserer Schutz des Verfassungsgerichtes oder eine Erhöhung des Sondervermögens für die Bundeswehr. Reuschenbach hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass das alles noch gelingen kann:
"Grundsätzlich hat man von allen Seiten durchgehört, dass es eine Bereitschaft gibt, den Zeitkorridor ab dem Moment, in dem die Frage gestellt ist bis zum tatsächlichen Wahltermin zu nutzen, um noch das ein oder andere gemeinsam hinzubekommen. Aber ich würde nicht damit rechnen, dass es eine große Zahl von Initiativen wird."
Das Dilemma sei: "All diese Themen sind wichtig, alles müsste eigentlich dringend den Bundestag passieren. Umso wichtiger ist es jetzt, dass man die Termindebatte abräumt, um genau das dann rauszufinden, nämlich zu fragen: Welche dieser Vorhaben kriegen wir – womöglich mit Mehrheiten aus der Union oder der FDP oder beiden – dann tatsächlich noch durch den Bundestag?"