Interview - Soziologe: Zurückweisungen nicht so einfach
Der Soziologe Marcus Engler findet, dass die aktuelle Debatte über eine härtere Migrationspolitik in die falsche Richtung geht. Vieles sei bereits verschärft worden - und Zurückweisungen von Migranten an den Grenzen nicht ohne weiteres möglich.
In der aktuellen Asyl-Debatte herrsche der Eindruck, dass die Politik nichts unternehme, um illegale Migration zu begrenzen, sagt Marcus Engler, Sozialforscher am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung in Berlin. Das Gegenteil sei der Fall: "Wir sehen eigentlich eine Gesetzesverschärfung nach der anderen."
Das habe bereits unter der schwarz-roten Vorgängerregierung begonnen und werde seit einem Jahr von der Ampel-Regierung fortgesetzt. Engler verwies unter anderem auf Bezahlkarten, Grenzkontrollen und die teilweise Kürzung von Sozialleistungen: "Den Eindruck, dass da nichts beschlossen wird, würde ich als sehr unseriös sehen."
Experte: Vorschlag der Union rechtlich problematisch
Den Vorschlag der Union, pauschal Flüchtlinge an den deutschen Grenzen zurückzuweisen, hält Engler für rechtlich problematisch. Wer ohne Pass, Einreiseerlaubnis oder Visum komme, könne zwar zurückgewiesen werden. Anders sehe es aber bei Schutzsuchenden aus. Bei denen gehe man davon aus, dass sie diese Papiere in ihren Heimatländern eventuell gar nicht besorgen können.
"Deswegen gelten hier besondere Regeln: Diese Personen dürfen nicht einfach zurückgewiesen werden, auch wenn sie aus anderen EU-Staaten kommen", so Engler. Da müsse in einem Verfahren geklärt werden, welches Land zuständig ist. Bislang würden die Grenzkontrolleure bei Zurückweisungen von Geflüchteten in einer Grauzone handeln.
Es gebe einige aus dem konservativen Lager, die sich über die Rechtsprechung hinwegsetzen wollten und Menschen trotzdem zurückweisen.
"Das ist ein verheerender Blick auf das europäische Projekt, aber auch auf Menschenrechte, wenn wir einfach sagen, andere Staaten brechen das Recht, dann machen wir es jetzt eben auch." Schon jetzt gebe es schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen.