Der SPD-Politiker Günter Verheugen. (Quelle: Picture Alliance)
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Gefahr der Kriegseskalation? - Verheugen: Sind näher am Abgrund denn je

Zahlreiche Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgerufen, sich für baldige Friedensverhandlungen im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen. Darunter auch der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD). Er vergleicht die derzeitige Lage mit einem "Pulverfass".

Wie jedes Jahr vor Ostern wird am Samstag in vielen Städten wieder für den Frieden demonstriert. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werden die Diskussionen darüber, auf welche Weise sich Deutschland und Europa für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen sollen, hitzig geführt. Ein jüngster Beitrag ist auch ein Aufruf zahlreicher Sozialdemokraten und Gewerkschafter in Richtung von Bundeskanzler Scholz für baldige Friedensverhandlungen. Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen hat ihn unterzeichnet. Für ihn steht die Gefahr einer Eskalation im Vordergrund der derzeitigen Gemengenlage des Krieges und von Interessen. "Wir sitzen auf einem Pulverfass, an dem die Lunte brennt", so Verheugen. "Wir haben uns noch nie so nahe am Abgrund befunden wie jetzt. Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges war die Lage nicht so brandgefährlich, wie sie heute ist."

Auch wenn Verheugen den Aufruf unterstützt, der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) laut Text dazu ermutigt, "zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen", glaubt er, dass "die Entscheidung, ob es zu Verhandlungen kommt", weder in Peking oder sonstwo falle, sondern in Washington und Moskau.

Verheugen befürwortet Waffenlieferungen "bis zu gewissem Grad"

 

Verheugen zufolge soll mit dem Aufruf erreicht werden, dass die Europäische Union "mit ihrem ganzen politischen und wirtschaftlichen Gewicht" auf die Kriegsparteien einwirke, "damit diese bereit sind, sich an den Verhandlungstisch zu begeben." Wichtig wäre für Verheugen hierbei, dass weder die russische noch die ukrainische Seite Vorbedingungen stellen.

Als Möglichkeiten, die Parteien an den Verhandlungstisch zu bekommen, sieht Verheugen in Bezug auf Russland die Einbeziehung der Sicherheitsinteressen des Landes. "Attraktiv für die Ukraine ist die europäische Perspektive, die wir ihr angeboten haben, und von der ich hoffe, dass sie eher schneller als später verwirklicht wird", so der SPD-Politiker, der um die Jahrtausendwende als EU-Kommissar für die Osterweiterung des Staatenverbunds zuständig war.

Gegen Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine ist Verheugen nicht, wie der 78-Jährige im Gespräch betont. "Die Ukraine hat jedes Recht der Welt, sich gegen eine Aggression zur Wehr zu setzen, sie hat das Recht, um Hilfe zu bitten, und wir haben das Recht, und wie ich finde, bis zu einem gewissen Grad auch die Pflicht, der Ukraine bei der Verteidigung ihrer Freiheit und ihres Territoriums zu helfen."

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