Ein Mann schwenkt eine georgische Nationalflagge vor einer brennenden Barrikade in der Nähe des georgischen Parlamentsgebäudes in der Hauptstadt Tiflis (Bild: dpa)
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Interview - Georgien: Regierung nimmt "Agentengesetz" zurück

Nach zwei Tagen massiver Proteste in Georgien hat die Regierungspartei ihren Entwurf für das umstrittene "Agenten"-Gesetz zurückgezogen. Der Schritt komme überraschend, sagt Marcel Röthig von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tiflis - denn die Fronten seien doch sehr verhärtet gewesen.

"Ich gehe davon aus: Der Druck der Straße war einfach viel zu hoch - der internationale Druck sowieso", sagt Marcel Röthig, der das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Tiflis leitet. "So hat man jetzt eben die Reißleine gezogen, ehe möglicherweise noch Schlimmeres passierte."

Der Gesetzentwurf der Regierungspartei erscheine unverhältnismäßig zum Gesetzeszweck, erklärt Röthig. Denn es sei eigentlich darum gegangen, Transparenz in der Finanzierung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten herzustellen. "Das wäre aber beispielsweise auch über verpflichtende Steuererklärungen gegangen", sagt er.

Stattdessen habe die Regierung ein Register für Organisationen erstellen wollen, die mehr als 20 Prozent ausländische Förderung erhalten - darunter fielen etwa unabhängige Medien, Gewerkschaften und kirchliche Organisationen. "Aber was es eben so schwierig gemacht hat, ist das Wording eines 'ausländischen Agenten'", sagt der FES-Büroleiter. "Denn das klingt nicht mehr nach Transparenz, das klingt eher nach Verleumdung."

Hintergrund

Georgien zieht "Agentengesetz" zurück

Die Regierungspartei in Georgien hat nach massiven Protesten das sogenannte "ausländische Agenten-Gesetz" zurückgezogen.

Das hat die Partei am Donnerstagmorgen in der Hauptstadt Tiflis mitgeteilt. Mit dem Gesetz hätten Medien und Organisationen verboten werden können. Bürgerrechtler befürchteten das Aus für Regierungskritiker ähnlich wie in Russland.

Gegen das Gesetz waren in den vergangenen Tagen zehntausende pro-europäische Demonstranten auf die Straße gegangen.

Am Mittwochabend setzte die Polizei laut Augenzeugen erneut Tränengas und Wasserwerfer gegen sie ein.

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Eine Demonstrantin hält sich das Gesicht, nachdem die Polizei Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt hat.
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Interview - Georgien: Tausende protestieren gegen "Agentengesetz"

In Georgien gibt es seit Tagen heftige Proteste gegen ein neues Gesetz. Es sieht vor, dass sich Organisationen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, als ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Die breite Mehrheit der Gesellschaft sei gegen das Gesetz, sagt Katrin Bannach vom Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Tiflis.

Ein Boot in einem leeren Hafen in Anaklia im Nordwesten Georgiens
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Vis à vis - Georgiens schwieriger Weg in Richtung Europa

Auch Georgien hat erfahren müssen, wie Russlands Präsident Putin seine Interessen mit militärischer Gewalt durchsetzt. Doch anders als die Ukraine nimmt das Land nicht mehr eindeutig Kurs auf die Europäische Union. Woran das liegt, zeigt Stefan Tolz in seinem Dokumentarfilm "Georgiens Hafen der Hoffnung". Irina Grabowski hat mit ihm gesprochen.