Interview - Politologe: EU-Beitritt der Ukraine ist ein "Balanceakt"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht am Donnerstag bei einem EU-Sondergipfel in Brüssel. In der Frage, wie schnell die Ukraine der EU beitreten kann, sind sich die Mitgliedsstaaten uneinig. Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) geht davon aus, das es noch mindestens zehn Jahre dauern wird.
Präsident Selenskyj ist am Donnerstag zu Gast in Brüssel. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sprach von einem "historischen Tag für Europa". "Die EU will vor allen Dingen starke Solidarität gegenüber der Ukraine zeigen", sagt von Ondarza.
Der Umgang mit der Ukraine sei für die EU aber auch ein Balanceakt, "weil man der Ukraine die Perspektive geben will, EU-Mitglied zu werden, aber gleichzeitig auch nicht die Erwartungen zu hoch schrauben will, dass das sehr bald passieren kann", erklärt der Experte.
Ukraine wäre größtes Land seit den 70er Jahren, das der EU-Beitritt
Während die mittel-, ost- und nordeuropäischen Mitgliedsstaaten einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine wollen, hätten die "alten" Mitglieder wie Deutschland, Italien, die Niederlande oder Frankreich die Position, dass der Beitritt perspektivisch in 10 bis 15 Jahren geschehen solle. Aus deren Sicht müsse vor einem Beitritt der Ukraine zunächst die EU selbst reformiert werden.
Auch der Politologe rechnet mit ungefähr dieser Zeitspanne bis zu einem möglichen EU-Beitritt der Ukraine. "Es wäre das größte Land seit den 70er Jahren, was der EU beitreten würde", sagt von Ondarza. Es gebe noch offene Fragen der Korruption im Land, auch die Frage der territorialen Konflikte mit Russland seien ein wichtiger Faktor. "Ich glaube, wir werden nicht vor 2030 konkret über einen Beitritt der Ukraine sprechen", sagt von Ondarza.