Interview - Soziologe über Querdenken: Gesamte Szene ist antidemokratisch
Seit dem Wochenende demonstrieren Anhängerinnen und Anhänger von "Querdenken" wieder in Berlin. Die Szene sei zwar weiterhin sehr durchmischt, werde aber geeint durch Verschwörungsdenken und die Ablehnung der Demokratie, sagt der Soziologe Johannes Kiess.
Seit zwei Jahren gibt es die Querdenken-Bewegung. "Es ist der harte Kern, der jetzt noch auf der Straße ist", sagt Kiess. Einige der Hauptakteure seien nach wie vor dabei und heizten die Aktivitäten immer wieder an.
Nach wie vor sei die Szene stark durchmischt, so der Soziologe von der Universität Leipzig, der das rechte Protestmilieu erforscht. "Wir haben dasselbe Mischmasch sozusagen von extrem Rechten, über Esoteriker, bis hin zu dem, was man gemeinhin als die normalen Bürger beschreibt, die sich aber ganz weit entfernt haben von Demokratie, von demokratischen Institutionen", sagt Kiess.
Kiess: Szene vereint in Ablehnung der Demokratie
Im Netz sei die Bewegung weiterhin sehr aktiv. Die thematische Ausrichtung habe sich aber etwas verschoben. Corona sei zwar immer noch Thema, es gehe nun aber auch um den Krieg und die Auswirkungen in Deutschland.
"Ich würde die ganze Szene als antidemokratisch beschreiben", sagt Kiess. Die Gruppierung sei zwar heterogen, aber vereint in Verschwörungsideologien und der Ablehnung der Demokratie. Das gehe auch mit impliziter Gewaltbefürwortung einher.
Politik kann Konflikte entschärfen
Natürlich müsse eine Gesellschaft Widerspruch aushalten. Das bedeute aber nicht, dass von Querdenken keine Gefahr ausgehe. "Es gab ja schon Tote, es gab und gibt Hetzkampagnen", sagt Kiess. Zudem gelangten Themen über die Proteste in den öffentlichen Diskurs und rückten die Diskussion nach rechts.
Dagegen könne nur helfen, dass die Politik in der Krise Lösungen anbiete und damit die Situation entschärfe, so der Soziologe. Dazu gehöre es etwa dafür zu sorgen, dass auch einkommensschwächere Haushalte im kommenden Winter ihre Wohnungen heizen können.