Krieg in der Ukraine - ORF-Reporter Wehrschütz: "Ukrainer sind enttäuscht vom Westen"

Der österreichische Journalist Christian Wehrschütz ist einer der wenigen, die noch aus der Ukraine berichten. Er erklärt, warum die Ukrainer trotz Waffenlieferungen vom Westen enttäuscht sind und warum Fluchtkorridore nach Russland nicht annehmbar sind.

An gesicherte Informationen aus dem Krieg in der Ukraine zu kommen, ist extrem schwierig geworden. Christian Wehrschütz, ORF-Fernseh- und Radiokorrespondent berichtet weiter aus der Ukraine. Derzeit hält er sich in einem kleinen Ort 60 Kilometer von Kiew entfernt auf. Dort sei die Lage ruhig, so Wehrschütz. Gleichzeitig bereiteten sich die Freiwilligen sehr stark auf die Verteidigung vor: "Was wir wissen ist, dass auch dieses Gebiet [...] immer stärker durch russische Spähtrupps und Vorposten unsicher gemacht wird und dass immer mehr der Druck auf diese südliche Route steigt, die derzeit noch aus Kiew herausführt und frei befahrbar ist."

Was die angeblich von Russland angebotenen Fluchtkorridore für Zivilisten angeht, ist Wehrschütz skeptisch: "Jeder Vorschlag in all diesen humanitären Fragen hat natürlich auch mit Propaganda und Politik zu tun. […] Wenn die Fluchtkorridore nur nach Russland und Weißrussland führen, würde das die gesamte russische Propaganda dazu verwenden: Schaut, die Ukrainer fliehen vor der eigenen Regierung zu uns. Dass das nicht annehmbar ist, ist ganz klar."

Ukrainer sind enttäuscht vom Westen

Kiew selber bereite sich immer stärker auf den Krieg vor. Überall würden Barrikaden gebaut, man werde in der ganzen Stadt kontrolliert, berichtet der ORF-Reporter. "Die Stadt ist so leer, wie ich sie in zehn Jahren nicht erlebt habe. Die Leute, soweit sie können, laufen davon und fliehen, weil natürlich auch die Versorgungslage in der Stadt immer schlechter wird."

Bei den Menschen in Kiew, mit denen Christian Wehrschütz gesprochen hat, herrscht eine große Verbitterung und Enttäuschung über den Westen und die NATO, "weil man sich bei allen Waffenlieferungen doch mehr Schutz erwartet hätte und weil man teilweise in der Illusion gelebt hat, der Westen oder die NATO wird für die Ukraine in den Krieg ziehen."