Die Menschen hangelten sich im Moment von Lockdown zu Lockdown, beschreibt der Kölner Psychologe, der die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in der Pandemie berät. "Diese Endlichkeitshoffnung ist nicht mehr da", so Grünewald. Die Hoffnung durch den Impfstoff werde direkt wieder überschattet durch Virusmutationen und Lieferschwierigkeiten.

Corona-Korrosion und Sehnsucht nach sinnlichen Impressionen

"Ich spreche von einer Corona-Korrosion, es ist schon so ein Ermüdungs- oder Zersetzungsprozess", sagt Grünewald. Besonders belastend für die Menschen sei, dass es keine Erfolgserlebnisse gebe. "Dieses Gefühl, dass ständig das Murmeltier grüßt, jeden Morgen uns hohe Zahlen erwarten, das schwächt natürlich auch die Selbstwirksamkeit und führt zu einer zunehmenden Frustration."

Das Gros der Bevölkerung habe dafür aber weniger Angst als im letzten Jahr. Während das Virus zu Beginn eine diffuse, nicht einzuschätzende Bedrohung gewesen sei, sei Corona inzwischen zu einer Alltagsroutine geworden. Viele Menschen, die nicht zu den Risikogruppen gehörten, fühlten sich nicht mehr direkt betroffen. Das führe dazu, dass einige auch ihr Verhalten ändern, etwa wieder häufiger Freunde treffen oder in den Supermarkt gehen. Gerade der Einkauf sei zum Event im grauen Corona-Alltag geworden. "Man taucht wieder ins soziale Fluidum ein, man lässt sich von der Warenvielfalt verrühren, man lechzt nach sinnlichen Impressionen", sagt Grünewald.