Petra Köpping (SPD)
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- Köpping (SPD): "Wir haben nie über die Probleme im Osten geredet"

30 Jahre ist der Mauerfall jetzt her - Ost-West-Unterschiede sind in dieser Zeit keineswegs verschwunden. Die SPD-Integrationsministerin in Sachsen, Petra Köpping, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel “Integriert doch erstmal uns“. Im Inforadio erklärt sie, warum sich manche Ex-DDR-Bürger auch drei Jahrzehnte nach der Wende benachteiligt fühlen – und warum manche von ihnen den Rechtspopulisten ins Netz gehen.

"Ihr immer mit euren Flüchtlingen – kümmert euch doch erst mal um uns!" Diesen Satz hat die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) oft gehört in den vergangenen Jahren. Und er hat sie zum Titel ihres Buches inspiriert: "Integriert doch erst mal uns". Darin stellt Köpping fest, dass sich viele Menschen im Osten aus dem Prozess der gesellschaftlichen Engagieren und dem Gestalten der Demokratie herausgezogen haben: "Sie haben erwartet, dass so wie in der ehemaligen DDR alles für sie gemacht wird – mit allen Vor- und Nachteilen."

"30 Jahre Aufbauarbeit und dann 600 Euro Rente - da fühlt man sich degradiert"

Die Menschen seien zwar stolz auf das, was geschaffen worden sei nach der Wende, also auf ihre Städte und Gemeinden, aber wenn es um die Anerkennung der eigenen Lebensleistung ginge, sehe es anders aus: "Wenn sich jemand für 30 Jahre als Aufbaugeneration gefühlt hat - das heißt: für weniger Geld gearbeitet hat, als im Westen -, und heute auf seinen Rentenbescheid schaut und nur 600 Euro findet, dann fühlt man sich wirklich degradiert."

Diese weitverbreitet Unzufriedenheit ist zum Nährboden beispielsweise für die AfD geworden – weil die anderen Parteien die Probleme nicht erkannt haben: "Wenn man sich mal die Reden zum Tag der Deutschen Einheit bis zum letzten Jahr angehört hat – da gibt es keinerlei Probleme. Da sind wir nur stolz auf das Geschaffene. Aber wir haben nicht darüber geredet, welche Probleme da sind – und auf uns zukommen."

"Keine Unzufriedenheit rechtfertigt es, Rechtsextreme zu wählen"

Dabei habe es genug Hinweise aus der Bevölkerung gegeben: "Es gab die großen Hartz 4 – Demonstrationen in Berlin, mit teilweise einer Million beteiligten Menschen. Da hat kaum Politik drauf reagiert. Und deswegen glaube ich, dass dort wirklich ein Sammelbecken entstanden ist, von einer Partei wie der AfD, die zwar keinerlei Lösung anbietet, aber die diese Probleme benannt hat. Das ist eine Lücke, die die AfD gefüllt hat." Allerdings rechtfertige kein Maß an Unzufriedenheit der Ostdeutschen, Rechtsextreme oder die AfD zu wählen, so Köpping.

Deswegen müssten sich endlich die anderen Parteien um diese Probleme kümmern und gleichzeitig müssten sich die Menschen in Ost-Deutschland mehr bemühen, Politik mit zu gestalten.

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