Christian Lindner, der Vorsitzende der FDP, am Rednerpult (Bild: DPA)
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#dasbrauchtdeutschland - Lindner - One-Man-Show für den Bundestag?

Als letzte der sechs großen Parteien ist die FDP in die heiße Wahlkampfphase gestartet. 23 Großveranstaltungen absolviert Christian Lindner in den letzten zwei Wochen bis zur Bundestagswahl - oft zwei, drei Termine am Tag. Nicht selten trifft der Spitzenkandidat erst ein, wenn die Wahlkampfveranstaltung längst läuft. Von Gabriele Intemann

Nur langsam füllt sich der kleine Platz in der Innenstadt von Kassel. In einer Ecke die Wahlkampfbühne – eingerahmt von C&A, Galeria Kaufhof und der Straßenbahn. Es kommen viele FDP-Mitglieder - "wenn man schon mal die Chance hat, Christian Linder live zu sehen" - aber auch Unentschlossene und enttäuschte Anhänger anderer Parteien:

"Dreißig Jahre bin ich schon CDU-Mitglied. Jetzt muss doch mal irgendwas anderes her." - "Eigentlich bin ich einer von den Schwarzen. Aber mal interessant, was andere Parteien so zu berichten haben!" - "Wir möchten Patrick Lindner live sehen."

Ein Selfie mit der Menge

Der Schlagersänger Patrik Lindner kommt natürlich nicht an diesem verregneten Nachmittag, und auch Christian Lindner, der Star der Liberalen, lässt auf sich warten. Die Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer, hat schon über eine halbe Stunde geredet, als er die Bühne betritt: "Und deshalb jetzt viel Spaß und Freude mit unserem Bundesvorsitzenden und Spitzenkandidaten bundesweit, viel Freude mit Christian Lindner!"

Bevor er beginnt, macht er ein Selfie mit den Zuschauern als Kulisse: "Meine Damen und Herren, das Bild musste ich festhalten. Trotz des schlechten Wetters an einem Nachmittag unter der Woche - so viele Menschen!" Rund 300 Menschen, denen Christian Lindner erst mal ein Kompliment macht: "Herzlichen Glückwunsch, dass Sie hier sind. Es ist auch ein Zeichen Ihrer persönlich-politischen Unabhängigkeit und Zivilcourage, für die wir Ihnen Respekt zollen."

FDP-Vorsitzende Christian Lindner an seinem Handy (Quelle: dpa / Monika Skolimowska)

Die Botschaften, die Christian Lindner seinen Zuhörern mit auf den Weg gibt, sind Kernthesen aus dem Wahlprogramm: Mehr Geld für die Bildung, mehr Freiheit für die Schulen, weniger Steuern und Abgaben, weniger Bürokratie. Das Internet müsse endlich einziehen: In die Schulen, aber auch in die deutschen Amtsstuben: "In Estland, die vor 27 Jahren eine Sowjetrepublik waren, kannst du alles online machen. Die Steuererklärung - in drei Minuten online! So schnell kann man Friedrich Merzens Bierdeckel nicht beschriften, da haben die schon den Steuerbescheid!"

Lindner weiß, wie er sein Publikum unterhält, wie er Pointen setzt. Nicht fehlen darf dabei der Angriff auf den politischen Gegner: "Hören Sie in sich selbst hinein: Was bin ich für ein Mensch? Wenn Sie böse und verführbar sind, dann können Sie nicht die FDP wählen, dann müssen Sie CDU wählen."

Christian Linder spricht frei. Eine Standardrede, die er so oder so ähnlich überall hält. Lokale Probleme spielen keine Rolle. Es geht ums große Ganze. Dieselkrise, Energiewende und Zuwanderung. In Kassel wie zwei Tage zuvor in Potsdam: "Herzlichen Glückwunsch, dass Sie hier sind, denn Sie stellen sich damit selbst auch ein Zeugnis aus."

Lindner wirbt mit Lebensgefühl

600 Menschen sind in Potsdam in die denkmalgeschützte Schinkelhalle gekommen. Der Ort: Jung, hipp und stilvoll. Das Durchschnittsalter im Publikum noch einmal deutlich niedriger als in Kassel. Auch hier umwirbt Lindner den prototypischen FDP-Wähler und dessen Lebensgefühl: "Im Prinzip vernünftig, verantwortungsbewusst, großzügig, weltoffen, tolerant und solidarisch."

Ein Lebensgefühl, das bei Schauspielerin Maren Gilzer ankommt. Seit drei Wochen ist sie FDP-Mitglied: "Ich finde einfach, dass die FDP sehr jung geworden ist und sehr modern in ihren Auffassungen. Und ich finde, dass ist eigentlich ein Schub, den wir in Deutschland brauchen."

Der Schub wird die FDP vermutlich zurück in den Bundestag befördern. Parteichef und Spitzenkandidat Christian Lindner zumindest tut alles dafür. Rund 40 Minuten steht er auf der Bühne. Danach nimmt er sich kurz Zeit für ein Gespräch mit seinen Zuhörern. Vor allem aber für Fotos und Selfies mit seinen Fans.

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