Operations-Roboter "Da Vinci" (Bild: imago/nordpool)

- Genauer, sicherer, besser: OP-Roboter verändern alles

Die Digitalisierung hat auch die Medizin gewaltig vorangebracht. Big Data erlaubt genauere Diagnosen und roboterassistiertes Operieren verändert "Alles" in der Chirurgie, wie Prof. Klaus Peter Jünemann von der Uniklinik Kiel sagt. Mit Hilfe des Operations-Roboters "Da Vinci" werden Operationen genauer, die gefahr von Komplikationen wird halbiert. in der Zukunft sieht Jünemann kaum noch die Möglichkeit, den Patienten mit herkömmlichen Methoden zu operieren.

Schwarte: Der Roboter übernimmt - gesteuert aus der Ferne. Was kann der Roboter, was der Chirurg nicht kann?

Jünemann: Der Roboter führt eigentlich nur die Bewegungen aus, die ich ihm letztendlich vorgebe. Es ist nicht so, dass er selbstständig arbeitet. Und er kann auch nicht besser operieren als der Chirurg, sondern der Chirurg kann präziser operieren. Um es mal einfach bildlich darzustellen: Man hat nicht nur ein dreidimensionales Bild, was man vor Augen hat, sondern man steht im Körper des Patienten. Das Gefühl hat man, dass man im Körper des Patienten steht. Darüber hinaus sind die Instrumente so klein, dass sie Mikrochirurgie betreiben können. Sie müssen sich das so vorstellen, als wären Sie Gulliver im Land der Riesen und er ist der Zwerg. Das heißt, ich bin der Zwerg als Chirurg und stehe im Patienten drin und arbeite direkt am Organ, das zehn bis fünfzehnfach vergrößert ist. Und dadurch bin ich natürlich genauer, präziser und muss auch weniger OP-Gebiet freilegen, um letztlich zum Ziel zu kommen.

Schwarte: Das heißt, es ist auch risikoärmer für den Patienten, so zu operieren.

Jünemann: Deutlich risikoärmer. Es gibt dazu eine aktuelle Studie, die die AOK kürzlich publiziert hat. Sie haben verglichen: Offene Chirurgie gegen Schlüsselloch-Chirurgie gegen robotergestützte Chirurgie und festgestellt: Die Komplikationsrate, also dass der Patient mal blutet oder dass der Patient einen Infekt davon trägt, wird durch die Roboter-Chirurgie um die Hälfte reduziert.

Der nächste Schritt: Operieren in der Virtual Reality

Schwarte: Sie steuern ja noch den Roboter. Geben sie uns mal einen Einblick in die Zukunft: Wird der Roboter irgendwann mal alleine operieren?

Jünemann: Da muss man immer fragen: Von welchem Zeitfenster unterhalten wir uns? Wir haben vor gut 100 Jahren das Auto erfunden. Und jetzt reden wir davon, dass wir irgendwann nur noch elektrisch fahren und demnächst – das heißt in 20 Jahren – autonom, das heißt, das Fahrzeug fährt selbstständig. Ob das alles so kommt, wissen wir ja nicht. In der Chirurgie ist das ähnlich: Ob wir jemals ein Robotersystem haben, das selbstständig operiert – ich weiß es nicht. Was wir aber tun werden: Wir werden die Technologie immer mehr für uns nutzen. Und das tun wir ja jetzt auch. Alle Informationen, die wir vom Patienten haben, insbesondere Bildgebung, können wir in unsere Operationen einfließen lassen. Man nennt das Augmented Reality. Sie machen vorher eine Computer-Tomographie,  beispielsweise der Leber, weil dort ein Lebertumor ist. Und jetzt wissen sie: Mittendrin in der Leber ist der Tumor. Im Moment kann ich nur sagen: Ich schneide drauf zu und wenn ich dann eine Gefäß treffe, dann muss ich es versorgen. In Zukunft ist es aber so: Ich weiß, wo das Gefäß genau langläuft und ich schneide da gar nicht erst hin, sondern ich schneide drum herum. Und das sind Technologien, das können sie in der offenen Chirurgie gar nicht machen. Das wird der nächste Schritt sein. Und dann gibt es die Weiterentwicklung, das wird kommen, das dauert keine zehn Jahre und das Ganze nennt sich Immersion – und Immersion ist Virtual Reality. Das heißt, sie stehen tatsächlich im Patienten drin – natürlich auch nur virtuell -, aber sie bedienen nicht mehr eine Konsole, sondern sie haben das Gefühl, sie würden im Körper stehen. Wenn sie nach oben gucken, sehen sie die Bauchdecke, wenn sie nach unten gucken, sehen sie die Wirbelsäule.

Schwarte: Klingt wie Science-Fiction. Sie haben die Vorteile vom Operieren mit dem Roboter geschildert. Es gibt auch Nachteile, ganz reale: Das roboterassistierte Operieren ist sehr teuer. Das Gerät kostet viel, der Einsatz auch. Ist das etwas für die Breite?

Jünemann: Ja natürlich. Im Endeffekt geht es doch nur darum: Wer bezahlt es? Bei uns ist es noch eine Frage von wenigen – ich sag mal vorsichtig – Jahren und dann werden auch die Krankenkassen und unser Gesundheitssystem erkennen, dass man die Robotik einfach einsetzen muss, denn das andere, wenn ich ehrlich bin, kann man dem Patienten eigentlich ruhigen Gewissens gar nicht mehr anbieten. Ich bin Arzt, ich muss ja versuchen, das Beste für den Patienten rauszuholen und ihm anzubieten. Und wenn ich weiß, dass ich eine optimale OP-Methode einsetzen kann, die halb so viele Komplikationen verursacht wie die herkömmliche, dann kann ich eigentlich die herkömmliche nicht mehr anbieten.

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