- Pro & Contra: Vegan-Pflicht in Kantinen?

Muss veganes Essen, also Nahrung ohne jegliche tierische Bestandteile, in öffentlichen Kantinen angeboten werden? Ja, finden einige Bürger in Friedrichshain-Kreuzberg und starten deshalb ein Bürgerbegehren. Am Montag stellt die Gruppe Sentience Politics ihre Forderungen und nächsten Schritte vor. In unserer Redaktion stößt dieser Vorstoß auf ein geteiltes Echo.

Pro Vegan-Pflicht

Martina Schrey, Redakteurin (Bild: Dieter Freiberg)

Inforadio-Redakteurin Martina Schrey ist der Meinung:

"Ich persönlich habe mit vegan lange nichts anfangen können. Irgendwie fleischlos und Käse darf man auch nicht essen – das ungefähr war so mein Wissenstand. Bis meine Tochter beschloss, sich vegan zu ernähren. Nicht aus politischer Überzeugung – sondern weil sie es einfach besser verträgt und sich damit wohler fühlt.

Ich sehe, wie sehr sie sich seitdem verändert. Nicht äußerlich. Aber vegan zu essen heißt, einen riesigen Aufwand zu betreiben – beim Einkaufen, Vorbereiten, Braten, Backen.  Und meine Tochter, die sich früher allenfalls ein paar Fischstäbchen in die Pfanne geworfen hat, ist zu einer leidenschaftlichen Köchin geworden, die das Essen mindestens genauso liebt wie das Zubereiten.

Mir nötigt das großen Respekt ab – und stürzt mich gleichzeitig in Verzweiflung: Ich kann sie jetzt nämlich nicht mehr einfach einladen – das, was ich kochen kann, isst sie nicht, und was sie gern mag, das kann ich nicht. Sie dagegen bleibt trotzdem locker – und bringt sich ihre Zutaten einfach mit. Und kocht dann für mich.

Ich hätte nie gedacht, dass veganes Essen so lecker sein kann. Scharf, süß, bitter, knackig – und trotzdem ganz anders. Ich werde trotzdem an anderen Tagen auf Schnitzel, Gulasch oder Hackfleischlasagne nicht verzichten – aber die vegane Küche ist für mich eine absolute Bereicherung.

Deswegen an alle Fleisch-, Milch- und Käseliebhaber unter uns – bleibt doch auch mal locker. Und wenn veganes Essen sogar zur täglichen Standardauswahl in der Kantine wird – probiert es doch einfach mal aus!"

Contra Vegan-Pflicht

Henning Wächter (Bild: Dieter Freiberg, rbb)
(Bild: Dieter Freiberg, rbb)

Inforadio-Redakteur Henning Wächter findet:

"Um es gleich mal vorweg zu nehmen: Ich esse gerne Fleisch, Wurst, Käse, Eier - und genau so gerne Obst, Gemüse, Salat oder Müsli. Alles zu seiner Zeit, alles prima. Wenn aber jemand sagt, ich möchte nur vegan essen - dann hat er mein vollstes Verständnis. Kann man gerne machen, aus welcher Überzeugung auch immer. Was allerdings nicht geht, ist, dass man daraus einen generellen Anspruch für sein Partikularinteresse macht.

Im Mai dieses Jahres hat ein Vater aus Berlin-Köpenick beim Verwaltungsgericht geklagt: Seine Tochter müsse ein veganes Mittagessen in der Schule bekommen. Er scheiterte mit Bausch und Bogen. Und ich zitiere hier gerne aus der Urteilsbegründung: "Es besteht keine rechtliche Verpflichtung, die gesamte Vielfalt verschiedener Ernährungsüberzeugungen wie etwa Steinzeiternährung, Low Carb, Low Fat, Rohkost, Trennkost, Fruitarismus und Veganismus zu berücksichtigen. Solange es keine medizinische Notwendigkeit gibt, muss sich das zuständige Bezirksamt nicht um veganes Essen kümmern." Zitat Ende.

Und was für Schulen recht ist, ist für öffentliche Kantinen billig. Außerdem: wenn einem das vegetarische Essen oder das Salat-Buffet - dass es nach meiner Erfahrung überall in Kantinen gibt - nicht passt, dann gibt es doch immer mehr vegane Angebote. Besonders in Friedrichshain-Kreuzberg."

Begriffsklärung

Bezeichnung Meiden von
Ovo-Lakto-Vegetarisch Fleisch und Fisch
Lakto-Vegetarisch Fleisch, Fisch und Eier
Ovo-Vegetarisch Fleisch, Fisch, Milch & Milchprodukte
Vegan alle vom Tier stammenden Lebensmittel
(Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Honig)

(Quelle: Leitzmann und Hahn: Vegetarische Ernährung. Ulmer, Stuttgart 1996, S. 15)