#dasbrauchtdeutschland - sechs Menschen - Viktoria Brammer erwartet mehr Ehrlichkeit in der Politik

Die Politik muss ehrlicher sein, auch und gerade im Wahlkampf - das findet Viktoria Brammer aus Kleinmachnow. Sie hat einen Kiosk und denkt auch mit 75 Jahren noch lange nicht ans Aufhören. Inforadio-Reporterin Amelie Ernst hat sich ausführlich mit ihr unterhalten.

"Hier wohnt das Glück" steht auf dem kleinen gelben Fähnchen über der Tür – und für Viktoria Brammers Stammkunden Manfred Lehmann scheint das heute sogar zu stimmen. Zumindest ein bisschen.

Familienfeiern, Sorgen im Job, kleine und große Lottogewinne – hier im Laden von Viktoria Brammer geht so ziemlich alles über den Tisch, natürlich auch Zeitungen. Beim Blick auf die Schlagzeilen drehen sich die Gespräche immer öfter auch um Politik. "Sicherheit ist ein ganz, ganz großes Problem, weil das, was die Terroristen vorhaben und vorhatten, leider Gottes greift. Nämlich Unsicherheit und Angst in die Welt zu bringen. Und ich stehe da ein bisschen sprachlos davor und das bedrückt mich natürlich auch. Ich habe auch zwei Enkelkinder", sagt Viktoria Brammer.

Hintergrund

- Begütertes Kleinmachnow

Kleinmachnow könnte mittlerweile auch Großmachnow heißen - die Gemeinde wächst und wächst. Denn: Kleinmachnow liegt im Speckgürtel - das gefällt vielen, die in Berlin arbeiten, aber im Haus mit Garten wohnen wollen. Und die Gemeinde hat hochwertige Häuser und Villen zu bieten. So hat sich die Einwohnerzahl in den letzten 25 Jahren verdoppelt.

Und trotzdem ist sie gegen Abschottung und höhere Abschiebequoten - im Gegenteil: "Man kann eigentlich nur eins machen. Nämlich mit den Menschen, die uns umgeben, tolerant und freundlich umzugehen. Und den anderen klarzumachen, wenn sie manchmal so losschimpfen, wie das ja so üblich ist - auch hier haben wir ja AfDler - warum das Blödsinn ist und nichts bringt. Und das mache ich."  

Nicht nur meckern, sondern selbst anpacken!

Denn sprachlos ist Viktoria Brammer tatsächlich nur selten – auch deshalb bleiben viele Nachbarn aus der Boschsiedlung gern noch auf einen Kaffee. Rente und Resignation – beides kommt für die 75-Jährige nicht in Frage: "Wenn ich die Menschen betrachte, die da so schmipfen und die sagen: 'Alles ist Mist, wie fühlen uns abgehängt.' Dann kann ich nur sagen: Sie meckern nur, aber sie tun nichts. Nicht alle, natürlich nicht. Aber ein Großteil der Meckerer meckert nur, weil er mit seinem eigenen Leben nicht so richtig klarkommt."

Auch Viktoria Brammer hätte einige Gründe zu meckern – wenn sie denn wollte: Ihr Leben lang hat sie gearbeitet, meist selbstständig, hat zwei Kinder großgezogen – trotzdem bleibt ihr heute nur eine Rente von rund 500 Euro. Den Rest erwirtschaftet der Kiosk: "Also, bevor ich mir Hartz IV hole, würde ich doch erst einmal sehen, dass ich etwas tue - und wenn es auch für wenig Geld ist. Anstatt vorm Fernseher zu hocken und die Welt als ungerecht zu beweinen -aber nichts tue, sondern fernsehe."

Das Beste draus machen - doch auch das ist Viktoria Brammer nicht genug. Früher klebte sie Plakate für Jörg Schönbohm, heute sitzt sie als unabhängige Vertreterin im Kleinmachnower Gemeinderat - und kämpft dort u.a. für mehr bezahlbaren Wohnraum. Christ- und Sozialdemokraten seien mittlerweile kaum noch zu unterscheiden. Und der Wahlkampf verlaufe ohnehin immer gleich: "Also, es passt alles nicht. Es wird mir zu viel viel gelogen. Ich muss wirklich sagen 'gelogen'. Na gut, vielleicht wollen sie nicht wirklich lügen. Aber es wird alles so hingedreht, wie es jetzt gerade passt. Was unsere liebe Frau Merkel leider auch macht, zumindest innenpolitisch. Außenpolitisch ist sie richtig gut."

Wählen gehen will Viktoria Brammer im September aber auf jeden Fall – denn Nichtstun, das passt einfach nicht zu ihr.

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