#dasbrauchtdeutschland - die Interviews

"Unsere Probleme habt Ihr da oben nicht auf dem Schirm" - Vorwürfe dieser Art sind in den letzten Jahren immer lauter geworden. "Stimmt gar nicht" - sagen Politiker, gerade im Wahlkampf. Wie steht es tatsächlich um Bürgerbeteiligung, soziale Gerechtigkeit oder den Einfluss auf die Partei-Wahlprogramme? Inforadio überpüft gesellschaftliche Realitäten mit Experten. Und fragt auch sie, was Deutschland braucht.

Interview mit Professorin Andrea Römmele - Ein deutscher Macron? - "Eher unwahrscheinlich"

Danilo Lucas aus Herzberg an der Elster wünscht sich, dass in Deutschland mal eine ganz neue Partei ans Ruder kommt - wie es zum Beispiel gerade in Frankreich Emmanuel Macron und seine Bewegung "En Marche" vorgemacht hat. Das sei in Deutschland aber "eher unwahrscheinlich", weil die hiesigen Volksparteien stabiler seien als ihre französischen Pendants, erklärt Andrea Römmele, Professorin für politische und gesellschaftliche Kommunikation an der Hertie School of Governance in Berlin. "Die Gründung einer solchen Bewegung ist auch bei uns einfach, deren Etablierung aber nicht", betont sie auch mit Blick auf die AfD.

Interview mit Professor Sebastian Barun, Soziologe an der HU Berlin - Sind wir Deutschen ewige Meckerer?

"Es gibt zu viele Menschen, die immer nur rummeckern, aber selbst nichts für die Gesellschaft tun." Der Meinung ist André Sawicki, den wir bei "Das braucht Deutschland" in Berlin-Staaken kennen gelernt haben. Sebastian Braun, Sportsoziologe und Engagementforscher an der Berliner Humboldt-Universität, kann das nicht bestätigen: "Studien zeigen, dass die bürgerschaftliche Beteiligung auf kommunaler Ebene in Vereinen und Initiativen eher im Steigen begriffen ist", betont er. Engagement werde mitunter familiär vererbt, auch der Bildungsstand und soziale Sicherheit erleichterten gesellschaftliches Mitwirken.

Interview mit Michael Donnermeyer, ehemaliger SPD-Wahlkampfberater - Wie kommt die Politik zum Bürger?

Spitzenpolitiker scheinen immer ganz genau zu wissen, was Deutschland braucht. Nur - woher eigentlich? Und wie helfen Sie mit diesem Wissen den Leuten, die sie ja schließlich wählen sollen? Wie kommt die Politik zum Bürger? Der Einfluss einzelner Personen werde im Wahlkampf immer wichtiger, sagt der ehemalige SPD-Wahlkampfberater Michael Donnermeyer. Allerdings komme es auch immer noch auf das Programm und die Geschlossenheit der Partei an.

Interview mit Jakob Fuchs von der Servicestelle Jugendbeteiligung - Wie motiviert die Politik junge Wähler?

Während 80 Prozent der über 60-Jährigen zur Wahlurne gehen, sind es bei den 20 – 25-Jährigen gerade mal 60 Prozent. Wenn man dann auch noch bedenkt, dass die absolute Zahl der über 60-Jährigen mehr als doppelt so hoch ist, dann wird klar, dass Politik vor allem von älteren Bürgern bestimmt wird. Jakob Fuchs von der Servicestelle Jugendbeteiligung erklärt, Erstwähler seien zuerst sehr motiviert. Wenn sie Interessen nicht vertreten sehen, entstehe jedoch schnell das Gefühl der Enttäuschung. Er meint: "Wir müssen einen politischen Dialog schaffen, der nicht nur stattfindet, wenn gerade gewählt wird."

Interview mit Lutz Meyer, Experte für politische Kommunikation - Digitaler Wahlkampf - wie geht das?

Im Wahlkampf stehen die Parteien vor ganz neuen Herausforderungen - vor allem im Netz. Einerseits untergraben Fake News und Social Bots das Vertrauen der Bevölkerung. Andererseits müssen Parteien die digitalen Verbreitungswege noch effektiver nutzen als früher. Lutz Meyer, Experte für politische Kommunikation, rät den Parteien, ihre Webseiten sauber zu halten: "Was dort in den Kommentarzeilen gepostet wird von Kritikern oder Propagandaschleudern wie Social Bots, das muss gelöscht und gesäubert werden."

Interview mit Prof. Dr. Robert Vehrkamp (Bertelsmann-Stiftung) - Wie kann die Politik die Menschen zurück gewinnen?

Enttäuschung ist in vielen Bevölkerungsgruppen durchaus verbreitet und führt dann zu Nicht- oder Protestwahl. Prof. Dr. Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung sieht als Hauptproblem eine sozial gespaltene Demokratie: Sozial Schwächere fühlten sich nicht mehr vertreten. Er glaubt, dass die meisten Menschen direkt mitentscheiden wollen. Seine Empfehlung: Die repräsentative Demokratie sollte Elemente direkter Demokratie integrieren.

Interview mit Politikberater Julius van de Laar - Wie geht Wahlkampf?

Wie geht die Politik auf die Ansprüche der Menschen ein? Wie sehr interessieren sich die Parteien für das, was Ihnen - den Wählern - am Herzen liegt? Julius van de Laar berät deutsche Politiker in Sachen Kommunikation. Für den Wahlkampf empfiehlt er Politikern einerseits die digitale Medien, weil man damit Menschen erreicht. Das direkte Gespräch an der Haustür zwischen zwei Menschen bringe aber mehr.

Interview mit Arbeitsmarktexperte Stefan Sell (Hochschule Koblenz) - Setzt die Politik nur noch auf Akademiker?

Diese Klage hören unsere Reporter während ihrer Recherchen für #dasbrauchtdeutschland immer wieder: Die Politik unterstütze Akademiker, tue aber nichts fürs Handwerk. Dienstleistungsberufe, insbesondere Pflegekräfte, seien unterbewertet. Überall wird händeringend Nachwuchs gesucht, "weil die lieber alle an die Uni gehen, statt sich die Hände schmutzig zu machen". Der Arbeitsmarktexperte Stefan Sell von der Hochschule Koblenz meint: "Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, sonst stößt das natürlich viele Leute ab."

Interview mit Prof. Reinhard Pollak (Wissenschaftszentrum Berlin) - Prägt die Herkunft den beruflichen Erfolg?

"Das braucht Deutschland" - unter dieser Überschrift sind unsere Reporter in diesem Wahljahr an sechs Orten in Berlin und Brandenburg unterwegs. Sie fragen die Menschen dort: Womit haben sie zu kämpfen, was erwarten sie von der Politik? Heute geht es um Meinungen in Berlin-Moabit, einem Berliner Ortsteil mit hoher Kinderarmut. Eine wichtige Frage der Bürger: Welche Chancen habe ich eigentlich, gesellschaftlich und finanziell meinen Weg zu machen? Wir sprechen darüber mit Prof. Reinhard Pollak, er arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.  

Interview mit Prof. Ulrich Reinhardt (Stiftung für Zukunftsfragen) - Warum wenden sich viele von den traditionellen Parteien ab?

"Wir brauchen mal eine neue Partei. Die etablierten Parteien schaffen die Reformen nicht" - das hat uns ein Bäckermeister aus Herzberg im Landkreis Elbe-Elster gesagt. Wie sollten die traditionellen Parteien damit umgehen? Prof. Ulrich Reinhardt, Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, meint: "Wir brauchen so eine Art 'V-Politiker', der Vertrauen gibt, Verlässlichkeit schafft und Verantwortung übernimmt."

Interview mit Soziologie-Professor Stefan Liebig (Uni Bielefeld) - Was ist soziale Gerechtigkeit?

Geht es in unserem Land sozial noch gerecht zu? Viele Bürger meinen: "Nein!". Die Anzahl der Bedürftigen, die zum Beispiel Hilfe bei einer Essensausgabe suchen, steigt. Ebenso wie die Unzufriedenheit mit "denen da oben". Gleichzeitig hört man immer wieder: Deutschland geht es glänzend, die Arbeitslosigkeit sinkt und sinkt. Alexander Schmidt-Hirschfelder fragt Stefan Liebig, Professor für Soziologie sozialer Ungleichheit an der Uni Bielefeld: Wie passt das alles zusammen?

Interview mit Carolin Schröder (TU Berlin) - Mehr Information und Transparenz für eine Bürgerbeteiligung

In Deutschland haben wir eine seit Jahrzehnten gut funktionierende Demokratie. Trotzdem haben viele Menschen inzwischen das Gefühl, "die da oben" machten sowieso, was sie wollen und kümmerten sich nicht mehr um "uns hier unten". Carolin Schröder (TU Berlin) erforscht seit 20 Jahren das Thema Bürgerbeteiligung. Nach ihren Worten klappt die Mitsprache auf lokaler und kommunaler Ebene schon ganz gut, auf nationaler Ebene hingegen weniger.