#dasbrauchtdeutschland - Sechs Wählerinnen und Wähler - "Ich wähle immer sozial"

Sein Gemüseladen heißt 'Merhaba', auf deutsch: 'Hallo', denn Ali Kamburoglu ist immer für ein Gespräch mit seinen Kunden zu haben. Mit der Demokratie in Deutschland sei er zufrieden, hat er Inforadio-Reporter Oliver Soos gesagt. Und dass er weiß, welche Partei er wählt. Aber die hat ihn jetzt im Wahlkampf dann doch enttäuscht.  

Natürlich sei die Bundestagswahl auch im 'Merhaba Discount' ein Thema, sagt Ali Kamburoglu. Der Feinkostladen am U-Bahnhof Birkenstraße ist so etwas wie ein Kieztreff. Viele Kunden kennen den 58-jährigen Ladenbesitzer seit Jahren und plaudern gerne mit ihm, auch über Politik.

"Die Leute, besonders alte Leute, fragen mich, welche Partei sie wählen sollen", erzählt er. "Ich wähle immer sozial. SPD. Ist meine Partei, weil die SPD von Anfang an mehr mit den Ausländern zu tun hatte. Mit Willy Brandt zum Beispiel von damals. Das ist Tradition." Kamburoglu nickt bekräftigend mit dem Kopf. "Manche sagen dann: 'Wieso? SPD und CDU - es gibt doch keinen Unterschied zwischen beiden!'"

Mehr Streit beim Fernseh-Duell wäre ihm lieber gewesen

In solchen Gesprächen muss Ali Kamburoglu dann oft zugeben, dass da durchaus etwas dran ist. Er selbst war vom Fernsehduell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz sehr enttäuscht: "Die haben nicht mal ein bisschen gestritten, das war wie abgesprochen. Die haben sich nur unterhalten und wir sollten nur gucken. Das heisst, wenn es so weitergeht, werden die bestimmt weiter regieren, beide zusammen!"

Und in noch einem Punkat war Ali Kamburoglu enttäuscht von Martin Schulz. Eine Kundin spricht das Thema an, beim Bezahlen an der Kasse: "Wie haben Sie das aufgefasst, als Schulz gesagt hat, die Verhandlungen mit der Türkei solle man sofort abbrechen?", fragt sie. Kamburoglu: "Das war ein Theater, und im Theater darf man alles sagen."

Martin Schulz wollte nur mit markigen Worten punkten, sagt Ali Kamburoglu. Er solle lieber Erdogan als Politiker angreifen, statt einem ganzen Land seine EU-Perspektive in Abrede zu stellen. Kamburoglu hofft, dass Erdogan irgendwann durch einen europafreundlicheren Politiker abgelöst wird. 

Ali Kamburoglu ist mit 20 Jahren von der Türkei nach Berlin gezogen. Er hat einen türkischen und einen deutschen Pass und noch keine Bundestagswahl ausgelassen. Bei dieser Wahl macht ihm die AFD Sorgen: "Die machen ihre Werbung gegen Ausländer. Die machen Stimmung, dass die nicht alle hierher gehören würden."

Er führt die Familientradition fort

Ali Kamburoglu wurde selbst mal auf diese Weise angegangen, das war 2009, als er als unabhängiger Kandidat bei der Bundestagswahl angetreten ist: "Und damals habe ich sogar einen Brief von der NPD gekriegt, dass ich in meine Heimat zurückkehren sollte."

Ali Kamburoglu wählt die Partei, der er am meisten zutraut, das Zusammenleben zwischen Deutschen und Migranten zu managen. Und er führt seine eigene Familientradition fort, denn schon sein Vater und sein Großvater haben in der Türkei die Sozialdemokraten gewählt und waren immer gegen die konservative Regierung. Dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ihn mit seiner Aussage zu den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei sehr enttäuscht hat, ändert daran nichts.

Übersicht

#dasbrauchtdeutschland - sechs Wählerinnen und Wähler

Am 24. September wird gewählt. Wie wird die neue Regierung aussehen? Viele Bürger machen ihrem Unmut über Politik laut und öffentlich Luft. Inforadio begleitet Menschen in Berlin und Brandenburg in den Monaten vor der Abstimmung. Sechs Wählerinnen und Wähler: Die Entscheidung.