Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung (Foto: imago/IPON)
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- Lompscher: "Mehr Akzeptanz durch Bürgerbeteiligung"

Der Berliner Senat will Anwohner bei landeseigenen Wohnungsbau-Projekten besser informieren und beteiligen. Das hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (die Linke) am Montag im rbb-Inforadio angekündigt. Ein solches Verfahren sei mit den Wohnungsbaugesellschaften verabredet worden, sagte Lompscher.

Moderator: Frau Lompscher, träumen Sie manchmal nachts schon von Milieuschutzgebieten, Nettokaltmieten oder Modernisierungsumlagen?

Katrin Lompscher: Das muss ich leider bejahen. Das führt allerdings eher dazu, dass es nicht  irgendwelche wilden Träume sind, sondern, dass ich einfach nicht einschlafen kann, weil ich noch denke.

Moderator: Hängt das auch damit zusammen, dass Sie jetzt gerade in den vergangenen Wochen hart mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ringen mussten? Das sind Partner, aber es ist doch eine Auseinandersetzung, die man führen muss – über Mietenhöhendeckelung, Sozialwohnungsquoten und Bürgerbeteiligung. Haben Sie die Partner da eigentlich als willig wahrgenommen oder waren die eher so ein bisschen bockig-störrisch?

Lompscher: Die Landeseigenen sind unsere Partner, sie sind nicht meine Feinde, so nehme ich sie auch in keiner Sekunde wahr. Aber wie ich es wahrnehme, fürchten sie, dass sie zu große Erwartungen und zu viele Aufgaben aufgebürdet bekommen. Diese Ängste kann ich gut nachvollziehen. Auch ich denke manchmal, dass die Erwartungen an das, was wir zu leisten haben, sehr hoch sind und das bereitet dann tatsächlich die ein oder andere unruhige Nacht.

Moderator: So ein bisschen ist die Stimmung auch eskaliert, als die Wohnungsbaugesellschaften so Ende des Jahres noch einmal kräftige Mieterhöhungen in Teilen verschickten, obwohl sie eigentlich wusste, dass die Koalitionspartner gerade in ihren Verhandlungen etwas anderes beschlossen hatten. Wie haben Sie das empfunden –haben Sie sich gedacht: „Naja, die machen das halt, den sie haben ja noch nichts Amtliches auf dem Tisch.“ Oder haben Sie das als kleine Kampfansage verstanden?

Lompscher: Ich habe es ehrlich gesagt nicht als Affront empfunden, weil ich ja auch weiß, dass das automatisierte Vorgänge sind und eine Koalitionsvereinbarung ist nichts Bindendes für Dritte. Deshalb war mir völlig klar war: Wir müssen die Vereinbarungen mit den Wohnungsbaugesellschaften schließen. Es ist ja dann auch relativ leicht gelungen, ein Moratorium zu verabreden und die jetzt abgeschlossenen Gespräche sind harmonisch verlaufen.

"Es gibt immer ein Problem der lokalen Umsetzung"

Moderator: Jetzt haben Sie also mit den Landesunternehmen einiges auf den Weg gebracht, auch schon ihre Vorgänger in Mietenbündnissen. Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Berlin selbst besitzt über seine Landesunternehmen etwa 300.000 Wohnungen von insgesamt einem Wohnungsbestand von 1,9 Millionen in der Stadt. Das heißt, das sind rund 15 Prozent der Wohnungen, auf die Sie wirklich direkten Einfluss haben. Ist nicht all das, was sie tun, letztlich immer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Lompscher: Also zum einen beschränken wir uns ja nicht auf die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Aber Sie haben Recht, nur dort können wir tatsächlich direkt auf das Handeln der Unternehmen und die Höhe der Mieten Einfluss nehmen. Aber wenn Sie das Thema kooperative Baulandentwicklung anschauen, da reden wir natürlich mit privaten Investoren. Wenn wir über Milieuschutzgebiete reden und Zweckentfremdungsverbot, dann trifft das natürlich alle Hausbesitzer, insbesondere die Privaten. Also die Politik muss sich an alle richten, aber bei manchen kann man natürlich mehr ausrichten.

Moderator: Ja und gleichzeitig ist es so, dass bei den Instrumenten, die eben auch für die ganze Stadt gelten, es ja immer wieder die Meldung gibt, da ist der Milieuschutz irgendwie ausgehebelt worden, da klappt es mit dem Zweckentfremdungsverbot nicht, die Mietpreisbremse, die Berlin ja umgesetzt hat, zieht auch nicht so. Müsste man nicht von diesen Maßnahmen trotzdem mal irgendwann etwas Substantielles spüren? Da ist ja doch eine gewisse Zeit auch bei vielen Maßnahmen schon vergangen?

Lompscher: Es gibt immer ein Problem der lokalen Umsetzung. Deshalb ist es ja eine so wichtige Forderung, dass wir die Behörden auf der bezirklichen Ebene stärken. Das ist in Teilen auch schon passiert.

Moderator: Was heißt stärken - nur personell oder muss man sie auch noch besser ausbilden?

Lompscher: Zum einen muss man sie personell stärken, zum anderen muss man auch den inhaltlichen Austausch fördern, für bestimmte Dinge Handreichungen machen. Aktuelles Beispiel ist die Frage, wie das Vorkaufsrecht konkret wahrgenommen wird. Friedrichshain-Kreuzberg hat da die ersten Erfahrungen gesammelt und hat uns gesagt, die Zusammenarbeit mit dem Land Berlin funktioniere gut. Andere Bezirke fragen uns jetzt, wie sie es machen sollen. Die schicke nach Friedrichshain-Kreuzberg. Wir müssen also zwei Dinge tun: Die Umsetzung, dessen worauf wir hier in Berlin Einfluss haben, verbessern. Und wir müssen zweitens natürlich immer wieder politisch den Finger in die Wunde legen, da wo wir an bundesgesetzliche Grenzen stoßen.

Kein Regulierungsinstrumentarium für Gewerbebauten

Moderator: Wir haben jetzt auch gerade wieder Fälle, da ging es um Sanierungsmaßnahmen, die genehmigt wurden, auch wieder im Milieuschutz, wo Leute gesagt haben: „Eigentlich tut das dem Kiez gar nicht gut“. Aber die zuständigen Bezirke sagen: „Ja, hier stehen wir, wir können nicht anders“. Auf einer Podiumsveranstaltung in Kreuzberg hat der Baustadtrat aus Friedrichshain-Kreuzberg gesagt, dass in vielen Bezirken so gehandelt wird, weil eben seit Jahrzehnten bestimmte Entscheidungen so getroffen wären. Sehen Sie das auch so?

Lompscher: Also ich wünsche mir tatsächlich etwas kämpferische Behörden, die auch mal das Ermessen sehr weit im Sinne der Mieterinnen und Mieter umsetzen. Allerdings gibt es Schwächen in dem Milieuschutzparagraf, der ist sehr aufgeweicht worden, seiner Zeit noch unter Schwarz-Gelb. Die Versuche, den Milieuschutzplan etwas zielgerichteter zu verändern, die haben wir schon unternommen innerhalb der ersten 100 Tage. Dabei haben wir folgende Erfahrung gemacht: Wir wollten eine Ausnahmegenehmigung streichen – nämlich die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, wenn der Verkauf zu Gunsten der Vermieter beabsichtigt ist,  innerhalb der nächsten 7 Jahre. Wir hatten die Streichung dieser Regelung im Bundesrat beantragt, aber dafür keine Mehrheit bekommen. Also man sieht, wir stoßen auch immer wieder an Grenzen und es ist ganz klar, dass man im Bereich der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik die bundespolitische Perspektive nicht aus dem Blick verlieren darf.

Moderator: Bei der Sie aber relativ machtlos dastehen?

Lompscher: Naja, was heißt machtlos? Man muss die Dinge selber in die Hand nehmen, man muss Initiativen ergreifen, man muss dann die Anderen zum Schwur zwingen und natürlich geht es zum Schluss immer um Mehrheiten, um Machtverhältnisse, da haben Sie Recht.

Moderator: Dann der Blick auf einen Indikator, den diese Stadt beim Stichwort bezahlbare Mieten hat. Derzeit liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete laut Mietspiegel in Berlin bei 5,85 Euro. Im Mai kommt der neue Mietspiegel. Wird dann erstmals die 6 Euro-Marke gerissen werden?

Lompscher: Keine Ahnung, das weiß ich nicht und wenn ich es wüsste, würde ich es hier nicht sagen. Aber wir haben jetzt einmal die Gelegenheit, den Blick auf eine andere Relation zu werfen. Berlin ist im Gegensatz zu vielen anderen Metropolen einkommensarm und das macht die Sache besonders schwierig. Also wenn wir hier besser bezahlte Jobs hätten, wenn wir hier höhere Renten hätten, dann könnten wir auch mit dieser Mietentwicklung vielleicht ein bisschen entspannter umgehen. Das ist aber nicht der Fall und deshalb ist die Mietenpolitik ein zentrales Thema von Rot-Rot-Grün.

Moderator: Das Thema Verdrängung von Mietern, von Alteingesessenen in den Innenstadtkiezen, das treibt die Stadt schon seit vielen Jahren um. In letzter Zeit sind wieder die Klagerufe von Gewerbetreibenden dazugekommen, die sich auch teilweise von ihren angestanden Plätzen verdrängt fühlen. Teilweise auch, weil Investoren sagen, sie wollen dort Wohnungen errichten. Ist das ein Thema, das die Politik ein bisschen zu spät auf den Schirm bekommen hat?

Lompscher: Die Politik ist an der Stelle vor allem damit konfrontiert, dass wir für Gewerbe tatsächlich gar kein Regulierungsinstrumentarium haben. Es gibt kein Gewerbemietrecht, wo der Kündigungsschutz verstärkt werden könnte und es gibt auch keine Planungsinstrumente, mit denen man sagen könnte: Hier sind jetzt genug Kneipen, jetzt brauchen wir mal einen Kindergarten. Das gibt es alles nicht. Das heißt, das sind Dinge, die auf lokaler Ebene mit großer Konsequenz und Konkretheit ausgehandelt werden müssen und wo man sich dann auch in Konflikt begibt mit Hauseigentümern.

"Wir müssen von Anfang an mit der Nachbarschaft kommunizieren"

Moderator: Wie viele Möglichkeiten hat Berlin da selbst, rechtliche Vorgaben zu machen?

Lompscher: Diese Möglichkeit haben wir nur im Rahmen des besonderen Städtebaurechts: Also Sanierungsrecht und Milieuschutz – da gibt es schon ein paar Möglichkeiten. Die sind aber letztlich begrenzt und greifen immer erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Und wir können – im Hinblick auf die landeseigenen Gesellschaften – natürlich dafür sorgen, dass dort, wo sie Wohnungsbau errichten in ausreichendem Maße gewerbliche Flächen auch mitgebaut werden, damit eben soziale Versorgungs- und andere Angebote in diesen Stadtteilen mit dabei sind und nicht nur reine Wohnsiedlungen entstehen, sondern gemischte Quartiere.

Moderator: Jetzt haben Sie das Stichwort Neubau selbst angesprochen, das ist ja eine weitere wichtige Säule Ihrer Politik. Auch da haben Sie erklärt, Sie wollen einiges besser machen, als bisher, vor allen Dingen auch um Konflikte zu vermeiden mit den Anwohnern. Stichwort also Bürgerbeteiligung: Wie soll das denn aus Ihrer Sicht aussehen?

Lompscher: Wenn wir Konflikte reduzieren wollen, – ich bin ja gar nicht so naiv zu glauben, dass man sie alle vermeiden und jedes Problem lösen könnte – dann müssen wir von Anfang an mit der Nachbarschaft kommunizieren. Den städtischen Gesellschaften haben wir drei Prinzipien auf den Weg gegeben: Wir haben ihnen gesagt, sie sollen frühzeitig mit Bebauungsvarianten an die Anwohnerschaft, an die Nachbarschaft herantreten. Sie sollen deutlich machen, worin der Mehrwert des Vorhabens auch für die Nachbarschaft, für das Quartier besteht. Und sie sollen projektbegleitend Gremien einrichten, an welche sich die Menschen auch wenden können, wenn sie ein Problem, eine Frage oder eine Anregung haben. Das sind relative simple Dinge. Man könnte sich fragen, warum sind sie da nicht schon selber drauf gekommen. Aber vorher lag der Fokus auf: Masse, Masse, Masse. Da ging es nur um die Zahlen und ich finde, wir müssen die notwendige Quantität des Wohnungsbaus eben mit einer Qualität in der Stadtentwicklung verbinden.

Moderator: Es gab auch während der Koalitionsverhandlungen kritische Stimmen, auch von Seiten Ihrer Koalitionspartner, die sagten: „Naja, dann wird das Bauen ewig dauern, wenn man jetzt noch die Bürgerbeteiligung ausbaut.“

Lompscher: Also um ehrlich zu sein, gab es nur einen Koalitionspartner, der das kritisch gesehen hat, aber ich glaube, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Nur wenn ich Akzeptanz habe für Herausforderungen in der Stadtentwicklung, nur dann kann ich tatsächlich etwas erreichen. Also meine feste Überzeugung ist, es wird nicht verzögert, sondern es wird überhaupt erst ermöglicht.

Berlin als "Stadt für alle" erhalten

Moderator: Auch so eine Art Beteiligungsprozess, den Sie vorhatten, war quasi in Ihrem eigenen Amt auf Leitungsebene. Sie wollten einen obersten Mietenaktivisten zum Staatssekretär machen, haben es auch getan, trotzdem ist es schief gegangen. Was ist denn die größte und wichtigste Lehre, die Sie aus der ganzen Affäre Holm ziehen?

Lompscher: Also zum einen ist es völlig klar und es muss auch unbestritten sein: Wir haben unterschätzt, dass die zwar aus meiner Sicht relativ unbedeutende Episode, die mit der Stasi im Zusammenhang stand, dass die noch so breiten Widerstand ausgelöst hat. Und zweitens, das war natürlich mit der Personalie beabsichtigt, dass wir das Versprechen, was die Koalition ja gegeben hat, nämlich Politik im Dialog und Politik auf Augenhöhe zu machen, die ist in der Person Holm sozusagen idealtypisch verbunden gewesen. Und da diese Verbindung jetzt nicht mehr existiert, müssen wir andere Formate für diesen Dialog, für die Partizipation und für den Austausch auf Augenhöhe entwickeln. Daran arbeiten wir noch.

Moderator: Das Ganze wurde damals auch zu einer ziemlichen Zerreißprobe für die Koalition. Sind da noch Wunden spürbar?

Lompscher: Also nach meinem Eindruck war die Koalition tatsächlich bis Mitte Januar ziemlich angespannt – übrigens nicht nur wegen dieser Frage – und das hat der Koalition den Start verhagelt, keine Frage. Inzwischen nehme ich wahr, dass die Abläufe so langsam aber sicher funktionieren, dass die Absprachen funktionieren, dass man Vertrauen miteinander hat. Also ich glaube, die Koalition hat sich aus dieser Anfangsschwierigkeit inzwischen gut rausbewegt.

Moderator: André Holm hat bei seinem Rücktritt gesagt, er stehe den Hausbesetzern näher, als vielen Investoren. Wo steht Katrin Lompscher?

Lompscher: Mit beiden Beinen auf der Erde, mitten in Berlin, mit großer Leidenschaft für diese Stadt und insbesondere dafür, dass es eine Stadt für alle bleibt. Das ist mir wirklich wichtig und wenn ich sehe, wie sich die Stadt entwickelt hat, gerade jetzt in den vergangenen Jahren, wo der Zuzug und der Boom die kapitalistischen Züge der Stadtentwicklung verstärkt, – das kann man ja auch einmal beim Namen nennen – da habe ich das Gefühl, wir haben eine große Aufgabe und diese Aufgabe wird man auch nicht allein lösen können. Also weder meine Senatsverwaltung, noch der Senat, noch der Senat und die Bezirke, sondern da müssen wir wirklich in der Gesellschaft ernsthaft miteinander darüber reden und wir müssen gucken, wer kann welchen Beitrag leisten. Und dieser Aufgabe stelle ich mich gerne.

Übersicht

Senatoren im Berliner Abgeordnetenhaus (Foto: imago/Stefan Zeitz)
imago/Stefan Zeitz

Senatoren im Interview - 100 Tage Rot-Rot-Grün

Am vergangenen Wochenende waren die Berliner Senatorinnen und Senatoren die ersten 100 Tage im Amt. Eine gute Gelegenheit, eine erste Bilanz zu ziehen. Dazu sprachen wir in der vergangenen und sprechen wir in dieser Woche immer um 10:45 Uhr mit allen Senatorinnen und Senatoren. Kurz danach, um 11:05 Uhr, wird ein Fachmann aus der Opposition auf das jeweilige Ressort reagieren.