Autorin Sineb El Masrar (Bild: rbb/Freiberg)
Bild: Klaus Dieter Freiberg

10 Ideen - Das braucht Deutschland - Idee 7: Autorin Sineb El Masrar

Emanzipation und Selbstbefreiung - das sind die großen Themen für die Publizistin Sineb El Masrar. Die Tochter marokkanischer Einwanderer ist Herausgeberin des Frauenmagazins "Gazelle" und Autorin von Büchern über muslimische Frauen in Deutschland. Ihr letztes heißt "Emanzipation im Islam“ und ist eine Abrechnung mit deren Feinden. Die kämpferische Stimme einer deutschen Muslimin in der Inforadio-Gesprächsreihe "10 Ideen – das braucht Deutschland".

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Christian Wildt: Und da ist für Sie das eher kämpferisch und ein Anlass zu sagen: "Ich wehre mich dagegen"?

Sineb El Masrar: Genau, ja, ich finde es auch gefährlich, weil wir dann tatsächlich in so eine noch größere Spirale des Auseinanderdriftens [kommen]. Wir sind eine Gesellschaft, die ist nun mal multi-ethnisch, sie ist multi-religiös und wir müssen es schaffen, gemeinsam mit Respekt. Wir müssen nicht immer alles gut finden, jemand der atheistisch ist, kann sich wahrscheinlich nicht damit anfreunden, dass Menschen irgendwie gläubig sind, aber Menschen, die gläubig sind, sind auch fähig, Atheisten anzuerkennen und eben diesen Lebenslauf und diese Weltsicht und Weltanschauung auch zu akzeptieren. Aber es gibt natürlich auf beiden Seiten Akteure, die sagen: Nein, solange du nicht so tickst wie ich, werde ich dich nicht akzeptieren. Und so kommen wir natürlich auch nicht weiter.

Christian Wildt: Und an den Rändern gibt es auch Gewalt. Und die Gewalt des islamistischen Terrors ist ja längst bei uns angekommen und macht dann die Furcht, das Misstrauen nochmal größer.

Sineb El Masrar: Absolut.

Christian Wildt: Was verhindert, Frau El Masrar, eigentlich eine Eskalation, so wie sie der französische Schriftsteller Michel Houellebecq beschrieben hat in seinem Buch "Unterwerfung", dass irgendwann die Auseinandersetzungen dann gewalttätig gegeneinander gehen?

Sineb El Masrar: Na ja, Gewalt tritt ja ganz oft zu Tage, wenn einem die Argumente fehlen, wenn man sich ohnmächtig fühlt. Wir beobachten das ganz oft bei kleinen Kindern, die nie gelernt haben, ihre Gefühle zu artikulieren oder ihre Wut in Worte zu artikulieren, ihre Bedürfnisse zu formulieren. Und ich glaube, das ist in der Gesellschaft durchaus auch bei vielen erwachsenen Menschen, dann tritt das zu Tage, wenn sie eben das Gefühl haben, sie sind ohnmächtig, wenn sie das Gefühl haben, niemand hört ihnen zu, niemand nimmt sie Ernst. Und dann gibt es natürlich durchaus auch so Auswüchse wie eben Pegida, die dann auf die Straße gehen und irgendwie hanebüchene Dinge von sich geben. Und wenn sie nur demonstrieren, ist das sozusagen das geringere Übel. Wenn es aber in Gewalt ausartet, dann haben wir ein großes Problem, weil dann natürlich auch sehr oft dann Unschuldige drunter zu leiden haben.

Christian Wildt: Sehen Sie die Gefahr?

Sineb El Masrar: Na ja, der Frust wächst ja. Und der Frust wächst ja auf allen Seiten. Und ich glaube, deswegen ist es eben sehr, sehr wichtig auf der einen Seite sich tatsächlich – so abstrus die Formulierungen auch sind und die Gedanken – sie zumindest einmal in den Raum zu stellen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihnen auch eine Antwort zu geben. Das setzt aber dann beim Gegenüber, der diese Frage formuliert, so abstrus sie dann eben für uns auch sein mag, [voraus], sie dann auch mal anzunehmen, beziehungsweise sich darauf einzulassen. Wenn diese Person natürlich dann immer noch sagt: Nein ich habe aber trotzdem Probleme mit Muslimen, mit Politikern, mit der Elite, mit der Lügenpresse, was auch immer, dann kommen wir natürlich auch nicht weiter. Aber  meine Erfahrung ist, dass es auf allen Seiten Menschen gibt, die froh sind, wenn man sich mal mit ihnen auseinandersetzt, mit ihren Fragen.

Sineb El Masrar mit Christian Wildt im Studio (Bild: Dieter Freiberg)
Sineb El Masrar im Gesprächt mit Inforadio-Redakteur Christian Wildt (Bild: rbb/Freiberg)Bild: Klaus Dieter Freiberg

Christian Wildt: Machen Sie das auch selber?

Sineb El Masrar: Ja, sie kommen ja auch zu meinen Veranstaltungen, sie schreiben mir Briefe, schicken mir Emails, also das erreicht mich schon. Und meine Erfahrung ist eben sehr oft, dass sie sehr froh sind, dass man ihnen zuhört, sie ernst nimmt. Und man ist nicht sofort dann irgendwie auf einer Ebene, dass man sagt, okay du hast jetzt mein Weltbild irgendwie verändert, aber sie lassen sich drauf ein und sind bereit, zumindest mal dann vielleicht um die Ecke nochmal zu denken. Und ich glaube dann haben wir ganz viel gewonnen. Denn diese Entwicklung, die wir jet zt heute haben, die ist ja auch nicht von heute auf morgen entstanden. Das ist ja auch eine Geschichte, die sich durchaus nach der Wende über die Jahrzehnte hinweg auch nochmal verstärkt hat.

Christian Wildt: Ist Ihnen mal so was ganz Plattes passiert, dass jemand zu Ihnen gesagt hat: Sie sind ja ne Deutsche und gar keine Muslima?

Sineb El Masrar: Ja, das hat es aber immer schon gegeben. Das man dann immer ganz anders wahrgenommen wird, aber

Christian Wildt: Sind ja eigentlich Äpfel und Birnen

Sineb El Masrar: Aber das wollte ich gerade sagen, das eine ist halt die Zugehörigkeit einer Religionsgemeinschaft. Das heißt, dass eine spricht das andere nicht ab und deswegen kann ich Muslimin sein und Deutsch. Genauso wie ich irgendwie, weiß ich nicht, Jüdisch und Marokkanisch sein kann. Christen gibt’s jetzt im Marokkanischen jetzt weniger, das sind dann meistens die alten Europäer.

Christian Wildt: Die großen "Vereinfacher" mögen das natürlich nicht, sondern die nehmen immer ein Merkmal. Unsere Reihe, die heißt ja "Das braucht Deutschland". Bevor wir dahin kommen, mal gefragt: Was hat denn Deutschland? Was sind denn die Attribute, die Sie doch, das merke ich in diesem Gespräch, sehr zuversichtlich sein lassen?

Sineb El Masrar
: Auf jeden Fall diese Möglichkeit, erstmal eine Freiheit, des sich freien Bewegens, des freien Denkens, des freien Äußerns. Und ich glaube das ist wirklich ein sehr, sehr hohes Gut. Wir haben eine wunderbare Presselandschaft. Und dann eben auch diese Möglichkeit, hier sozusagen teilweise auch seine Eigenarten zu leben. Man könnte sein ganzes Leben ein Islamist sein, genauso wie man sein ganzes Leben Nazi sein kann, also wenn wir jetzt von Extremen sprechen. Und das ermöglicht aber den Leuten letztendlich immer auch, sich an dieser eigenen Ideologie abzuarbeiten und wenn sie bereit sind, vielleicht dann doch nochmal über ihren Tellerrand zu schauen, sich auch wieder daraus zu lösen.

Kommentar

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2 Kommentare

  1. 2.

    Einen sehr interessanten Artikel zum populares Thema. Es ist schon beeindruckend zu sehen, welche Entwicklung man hier in den letzten Jahren beobachten konnte.

  2. 1.

    Glückwunsch! Nachdem offenkundig Multikulti weltweit gescheitert ist und auch die USA kein Vorzeigeland mehr sind, da endlich ist man bereit, die Kritiker anzuhören. Wenn jetzt noch die Kritik ernstgenommen und nicht gleich als „Hass und Hetze“ diffamiert wird, dann kann man an einem gesellschaftlichen Konsens arbeiten, an Lösungen, mit denen alle auch zukünftig noch gut und sicher leben können. Freiheit kann sich nur im zuverlässigen Schutz von Recht, Gesetz und gesicherten Grenzen entfalten.

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10 Ideen - Das braucht Deutschland (Bild: rbb/Freiberg/Grischek)
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10 Ideen - Das braucht Deutschland

Zehn kluge Köpfe beziehen im Inforadio Stellung zur gesellschaftlichen Lage. Künstler, Publizisten und Wissenschaftler wie Anna Thalbach, Ulrich Wickert, Nico Hofmann, Smudo, Klaus Töpfer oder Sineb El Masrar formulieren ihren persönlichen Standpunkt: Was braucht Deutschland? Offenheit oder Abgrenzung, Miteinander oder Konfrontation? Das Ziel: Eigene Ideen formulieren, statt sichauf gängige Parolen zu verlassen. Hier auf inforadio.de können Sie alle Interviews nachhören, nachlesen und kommentieren!