Airforce Drohne (Bild: colourbox)
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- Krieg der Zukunft: Störfaktor Mensch

Auch im Krieg verlässt sich das "vernetzte Ich" immer mehr auf die Maschine: Raketen, die selbständig ein Ziel ansteuern, gibt es schon länger, auch die automatisierte Luftüberwachung über Drohnen. Doch die Entwicklung geht weiter, dahin dass Drohnen selbst entscheiden, ob sie ein Ziel angreifen, sagt Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Er ist Experte für Robotik und Krieg und sagt im Interview bei Sandra Schwarte: In zukünftigen Kriegen ist der Mensch das schwächste Glied in der Kette.

Schwarte: Ist das vorstellbar - eine vollautomatisierte Kriegsführung?

Schörnig: Wir sind auf dem Weg dorthin. Wir haben ja jetzt schon Systeme, zum Beispiel bei der Luftabwehr, die man in einen vollautomatischen Modus stellen könnte. Die Regularien sehen das in der Regel nicht vor, aber theoretisch könnte man diese Systeme völlig ohne menschlichen Eingriff Raketen oder Geschosse abschießen lassen.

Schwarte: Ist das zum Beispiel auf bei Drohnen vorstellbar - in den USA gibt es ja schon Drohnen, die von einem Piloten aus der Ferne gesteuert werden -, dass auch die ganz selbstständig agieren?

Schörnig: Die technische Entwicklung und auch die Forschung gehen in diese Richtung. Denn die Drohnen, die ferngesteuert werden, die wir bisher haben, kann man nur in bestimmten Szenarien einsetzen, in sehr asymmetrischen Situationen, wie wir sie zum Beispiel in Afghanistan haben. Der Trend geht momentan aber dahin, Systeme zu entwickeln, Kampfflugzeuge im Prinzip, die unbemannt sind, die dann gegenüber menschlichen Systemen enorme Vorteile haben, z.B. weil sie viel wendiger sind, weil man keine Rücksicht mehr auf den Piloten nehmen muss, weil sie weiter fliegen können. Und in die Richtung wird aktuell geforscht, das ist richtig.

Schwarte: Wenn ich sie richtig verstehe, können solche automatisierten Kampfsysteme nicht in jedem Konflikt zum Einsatz kommen?

Schörnig: Vollautomatisierte Waffensysteme, die man jetzt schon so in ersten Ansätzen auf den Zeichenbrettern der Industrie sieht, die sind für zwischenstaatliche Kriege in der Entwicklung. Das sind Systeme, die darauf zielen, gegnerische bemannte Flugzeuge abzuschießen, die Luftüberlegenheit erkämpfen wollen. Das sind keine Systeme, die man in Konflikten benötigt, die asymmetrisch sind, wie zum Beispiel in Afghanistan, wo der Gegner überhaupt keine Luftabwehr hat. Also diese modernen, neuen Systeme, die entwickelt werden, zielen auf zwischenstaatliche Kriege nicht, auf den asymmetrischen Krieg.

"Wir sind näher an der vollautomatischen Kriegsführung, als wir denken."

Schwarte: Was kann denn der Mensch da noch steuern oder entscheiden in so einem vollautomatisierten Krieg? Wie selbstständig sind diese Entscheidungen dann noch?

Schörnig: Zum einen muss man sagen: Die Automatisierung beschleunigt den Konflikt, weil die Systeme einfach immer schneller immer mehr Daten auswerten können und dadurch immer schneller als der Mensch entscheiden. Das heißt, der Konflikt wird beschleunigt. Das macht den menschlichen Eingriff natürlich schon mal extrem schwer. Und das zweite ist natürlich, dass man sagen muss: Je mehr man bestimmte Vorteile von automatisierten Systemen ausnutzen möchte, umso mehr wird der Mensch einfach auch zu dem Faktor, der hindert. Quasi das schwächste Glied in der Kette. Aus rein militärischer Sicht macht es eigentlich Sinn, den menschlichen Faktor soweit es geht zurückzuschrauben.

Schwarte: Aber einen Krieg anzetteln tun ja dann immer noch die Menschen, qua Entscheidung. Glauben sie, das wird auch schneller passieren, wenn Maschinen mehr im Einsatz sind?

Schörnig: Natürlich, die Entscheidung liegt immer noch beim Menschen. Aber es könnte, und da liegt die Gefahr und deshalb setzen auch wir immer auf Aufklärung an diesen Stellen, es könnte natürlich politische Entscheider verführen, schneller zu militärischen Mitteln zu greifen, weil man den Glauben hat, mit diesen Mitteln sehr überlegen zu sein, einen Konflikt sehr schnell und möglicherweise auch mit geringeren Opferzahlen, als man das anders könnte, zu gewinnen.

Schwarte: Das ist aber nicht so?

Schörnig: Die Möglichkeit besteht. Aber wie sie richtig gesagt haben: Der Mensch entscheidet am Ende. Der Mensch muss sich auch dieser negativen Seiten von immer stärker automatisierten Waffensystemen bewusst sein.

Schwarte: Und die ist?

Schörnig: Dass eben die Gefahr besteht, schneller auf Waffensysteme zurückzugreifen und weniger die diplomatische Lösung in den Vordergrund zu stellen.

Schwarte: Wie weit sind wir von diesem Szenario entfernt, von einer vollautomatisierten Kriegsführung?

Schörnig: Es kommt immer ein wenig darauf an, wen man fragt. Wenn man Techniker offiziell fragt, sagen die: Das ist noch Jahrzehnte entfernt. Wenn man aber mit denen man mal in einer ruhigen Minute direkt spricht, sagen die: Die Technologie ist doch deutlich weiter vorangeschritten, als man das denkt. Man kann es wirklich nicht genau beantworten, aber ich glaube, wir sind näher dran, als wir denken.

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