Mit Computern vernetztes Gehirn (Bild: imago stock&people)
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Das vernetzte Ich - Wikipost: Können Computer bald Gedanken lesen?

"Die Gedanken sind frei - wer kann sie erraten...?" - Tja! Vielleicht kann irgendwann jeder sie erraten. Hirnforscher arbeiten zumindest daran, über Messtechniken und Datenverarbeitung lesbar (sichtbar) zu machen, was in unseren Köpfen gerade so vor sich geht. Anna Corves fasst den aktuellen Stand der Forschung zusammen.

Es war ein Experiment mit verstörendem Ausgang: Forscher der Universität Oxford platzierten Studenten vor einem Computer und setzten ihnen Headsets auf, mit Elektroden zur Hirnstrom-Messung. Schlichte EEG-Headsets, wie sie schon heute zu so manchem virtuellen Computer-VideoSpiel dazugehören. Die Forscher konnten diese EEG-Sets hacken - und so umprogrammieren, dass die Spieler über ihre Hirnströme brisante Informationen preisgaben. Zum Beispiel die PIN-Nummer ihrer Bankkarte.

Denn: Entdeckt das Gehirn etwas von Interesse, feuern die beteiligten Nervenzellen ein messbares Signal. Die Forscher brachten die Spieler dazu, an die Ziffern ihres Bank-Pins zu denken, ließen zugleich Zahlen über den Bildschirm laufen. An der Reaktion der Hirnströme konnten sie ablesen, welche Ziffern zum Pin gehören. Das funktionierte zu diesem Zeitpunkt, 2012, zwar längst noch nicht zuverlässig. Aber die Forscher warnten, dass Kriminelle Videospiele in Zukunft manipulieren könnten.

Tatsächlich können Hirnscanner die Gedanken von Menschen immer besser nachvollziehen. Denke ich zum Beispiel an einen Hund, löst das ein unverwechselbares Aktivitätsmuster im Gehirn aus. Wurde das einmal gemessen, kann der Computer es das nächste Mal wiedererkennen. Je größer die Datenbank meiner gemessenen Gedanken, desto transparenter ist, woran ich denke. Forschern vom Berliner Bernstein-Zentrum ist es gelungen, Entscheidungen von Probanden vorherzusagen - und zwar noch BEVOR diese die Entscheidung gefällt haben. Ethisch ist all das heikel: Was ist mit der geistigen Privatsphäre? Was mit dem freien Willen?

Noch ist eine universelle Gedankenlesemaschine aber absolute Utopie. Die Messgenauigkeit der Hirnscanner ist zu gering. Außerdem bräuchte man für jedes Individuum eine eigene Datenbank: Ihr Gehirn reagiert anders als meins. Und meine Gedanken können sich im Lauf des Lebens ändern - um im Beispiel zu bleiben: Es braucht mich nur mal ein Hund zu beissen. Und dann ist da noch was Entscheidendes, Unberechenbares: Unsere Fähigkeit, immer wieder neue, noch nie-gedachte Gedanken zu gebären. Die menschliche Phantasie.

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Das vernetzte Ich - Das vernetzte Über-Ich

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Motivbild "Das vernetzte ich" (Bild: Colourbox)

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